
Mit zehn Dollar in der Tasche, einer Gitarre und einem Traum kommt Robert “Bobby” Dylan (Timothée Chalamet) 1961 nach New York. Er besucht eines seiner Idole, Woody Guthrie (Scoot McNairy), im Krankenhaus und lernt dort zufällig auch Pete Seeger (Edward Norton) kennen. Pete bietet dem jungen Bob Dylan nicht nur eine Unterkunft während seines Aufenthalts in New York, sondern erkennt auch sofort dessen außergewöhnliches musikalisches Talent. Nach einigen Auftritten in New Yorker Underground-Bars erregt Dylan die Aufmerksamkeit von Kollegen und Produzenten. Spätestens durch seinen ersten Auftritt beim Newport Folk Festival nimmt seine Karriere Fahrt auf.
And the Oscar goes to…?
Bereits seit über fünf Jahren ist die Verfilmung des Lebens von Bob Dylan mit Timothée Chalamet in der Hauptrolle geplant. Doch aufgrund der Corona-Pandemie und Gildenstreiks verzögerte sich der Release bis Anfang 2025. Diese Verzögerungen boten Chalamet jedoch die Gelegenheit, Gesangsunterricht zu nehmen sowie Gitarre und Mundharmonika zu lernen. Spätestens seit Wonka dürfte zwar bekannt sein, dass Gesang eines der vielen Talente des Timothée Chalamet ist, doch verglichen mit dem singenden Chocolatier ist die ikonische Stimme von Bob Dylan eine noch größere Herausforderung. Trotz allem überzeugt der Hauptdarsteller auf ganzer Linie: Stimme, Manierismen, Mimik und – wie gewohnt – emotionale Tiefe, auch in den leiseren Szenen.
Das herausragende Talent, das Chalamet auf der Leinwand zur Schau stellt, sucht erneut seinesgleichen. Allein durch seine Performance gleicht er Schwächen des Films in Handlung und Tiefgang zumindest teilweise aus. Dennoch muss sich der Rest des Casts keineswegs verstecken: Edward Norton als Pete Seeger liefert eine Darbietung ab, die ihn völlig zu Recht für Nominierungen bei diversen Preisverleihungen empfiehlt. Monica Barbaro und Elle Fanning komplettieren ein durchweg exzellentes Ensemble.
(K)einblick hinter die Fassade
Abgesehen von den schauspielerischen Höchstleistungen unterscheidet sich Like A Complete Unknown jedoch kaum von anderen musikalischen Biopics. Nach der Ankunft des jungen Bob Dylan in New York reiht der Film einen Auftritt an den nächsten. James Mangold inszeniert Like A Complete Unknown zwar zurückhaltender und mit weniger Glamour als vergleichbare Biografien, wie zuletzt etwa Better Man – Die Robbie Williams Story, doch die kurzen Einblicke in Dylans Leben abseits der Bühne wirken oft wie willkürliche Unterbrechungen. Abgesehen von der selbstreflektierten Erkenntnis, dass Bob Dylan ein “Arschloch” ist, fehlen den Szenen aus seinem Privatleben wirklich intime Einblicke in seinen Charakter. Seine Suche nach sich selbst wird erst gegen Ende des Films intensiver behandelt – jedoch ohne jemals zufriedenstellend beantwortet zu werden.
Bis dahin plätschert Like A Complete Unknown über seine fast zweieinhalbstündige Laufzeit größtenteils dahin. Unter der Dauerbeschallung von Bob Dylans Musik wird dem Zuschauer eine Fassade präsentiert, die zwar visuell und auditiv ansprechend ist, aber einen gewissen Tiefgang vermissen lässt. Like A Complete Unknown versucht, Bob Dylan als Mysterium zu porträtieren – als einen hochbegabten, aber in sich gekehrten Mann, der auf der Suche nach sich selbst verloren wirkt. Leider bleibt Dylan sowohl für seine Mitmenschen als auch für die Zuschauer ein Rätsel, was eine emotionale Distanz schafft und verhindert, dass man sich in ihn als Menschen hineinversetzen kann. Schlussendlich ist Like A Complete Unknown keine Charakterstudie, sondern ein Konzertfilm. Während Fans von Bob Dylan musikalisch auf ihre Kosten kommen, wäre ein stärkerer Fokus auf die Persönlichkeit des Ausnahmemusikers wünschenswert gewesen.
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