
Es war höchste Zeit für ein wenig Entspannung. Um den Stress des Alltags hinter sich zu lassen, sind Anna (Jessica Schwarz) und Robert Bischoff (Heino Ferch) gemeinsam mit ihrer Freundin Johanna Pohlmann (Natalia Wörner) zu einer Mittelmeerinsel gereist, wo die drei mit ihren jeweiligen Kindern eine schöne Zeit verbringen wollen. Grundsätzlich klappt das auch, die Clique verbringt den Tag am Strand, abends steht der Besuch eines Restaurants an. Dabei haben sie das Paar Sara (Petra Schmidt-Schaller) und Niklas Grothe (Felix Klare) kennengelernt und so manche feucht-fröhliche Stunde miteinander verbracht. Das nimmt jedoch ein jähes Ende, als Anna bei einem ihrer Kontrollgänge in der Ferienwohnung feststellt, dass ihre Tochter Lilly verschwunden ist. Zwar schalten sie sofort die Polizei ein, Isabell Navarro (Mona Pirzad) und Antonio Gomez (Mohamed Achour) machen sich auf die Suche. Doch von dem Kind fehlt jede Spur …
Groß aufgezogener Thriller
Sie sind der große Quotenbringer beim ZDF: Krimis. Ob es die kurzteiligen Serien sind, die am Freitagabend ausgestrahlt werden, oder die spielfilmlangen Reihen wie Wilsberg, Nord Nord Mord oder Ein starkes Team, das Publikum wird nicht müde, sich an Verbrechen und deren Aufklärung zu erfreuen. Nun startet der Sender den nächsten Versuch, bei den Zuschauern und Zuschauerinnen zu punkten. Eine neue Serie ist Lillys Verschwinden zwar nicht, da die Geschichte in sich abgeschlossen ist und eine Fortsetzung nahezu unmöglich. Man zog den Fall aber größer auf und machte aus diesem einen Zweiteiler, der an verschiedenen Wochentagen zur Hauptsendezeit zu sehen ist. Und auch bei der Besetzung wurde nicht geknausert, da finden sich eine Reihe bekannter Fernsehstars.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist es verständlich, wenn man aus dem Stoff einen Event macht. Betrachtet man jedoch den Inhalt, darf man sich schon fragen, ob drei Stunden nicht etwas großzügig dimensioniert waren. So tritt Lillys Verschwinden immer wieder auf der Stelle, die Ermittlungen kommen kaum voran. Schlimmer ist, dass sich die Situationen und Dialoge so oft wiederholen, weil offensichtlich die Ideen fehlten, wie man die Laufzeit sonst füllen sollte. Wenn etwa Anna an einer Stelle sagt, sie habe das doch schon tausend Mal gesagt, darf man schon mal den Impuls haben, laut zu rufen: „Jawoll!“ Ein anderes Beispiel sind die Meinungsverschiedenheiten von Robert und Johanna, die sich eine Praxis teilen, dabei aber offensichtlich nicht einig sind, wie es weitergehen soll. Der Frust ist groß bei ihr, weil sie das Geld aufgebracht hat, während er nichts tut.
Viel Drama, wenig Sinn
Überhaupt gibt es hier Konflikte ohne Ende. Da sind die obligatorischen Eheprobleme, im Freundeskreis wird gestritten, Eltern und Kinder haben ihre Schwierigkeiten, alte Affären werden angesprochen. Zwischenzeitlich vergisst man glatt, dass Lillys Verschwinden ein Thriller sein soll, wenn ein Seifenoperdrama nach dem anderen ausgepackt wird. Das ist natürlich auch eine Methode Zeit zu schinden. Allerdings keine besonders spannende, die meiste Zeit über ist man gelangweilt, manchmal auch genervt. Wobei der genreerfahrene Regisseur und Drehbuchautor Thomas Berger (Unter anderen Umständen: Die einzige Zeugin, Die verschwundene Familie) schon ein paar Wendungen eingebaut hat. Da werden verschiedene Spuren verfolgt, eine der diversen Theorien ist sogar tatsächlich unerwartet.
Und doch ist Lillys Verschwinden als Genrebeitrag wenig gelungen. Vieles von dem, was hier geschieht, ergibt keinen Sinn. Die Ermittlungen sind willkürlich, das Verhalten der Figuren auch. Und selbst am Ende, wenn der Film eine Erklärung liefert, bleiben zu viele Fragen zurück. Klar, wenn ein Kind verschwunden ist, bringt das eine gewisse Grundspannung mit. Dennoch hätte es ein besseres Drehbuch gebraucht, in der Form reicht das nicht. Zum Teil wird man durch das Setting entschädigt: Die auf Mallorca gefilmten Landschaften und Ortschaften kombinieren Idylle und Luxus. Weniger geglückt ist die aufdringliche Musik. Eine Frechheit ist zudem, dass man es mal wieder nicht für nötig hielt, die Sprache des Schauplatzes einzubauen. Nur an einer Stelle wird mal Spanisch gesprochen, sonst unterhalten sich alle – ob Gäste, Polizei oder Journalistin – in einwandfreiem Hochdeutsch. Sicher, die Zielgruppe hat wenig Lust auf Untertitel. Dass man aber nicht einmal versuchte, ein wenig lokales Flair zu erzeugen, ist bezeichnend für einen Zweiteiler, der gleichzeitig mit viel Aufwand betrieben und lieblos runtergerotzt wurde.
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