Maedchen mit Gewalt
© 1970 Roger Fritz Filmproduktion, 2025 Subkultur-Entertainment

Mädchen mit Gewalt

Maedchen mit Gewalt
„Mädchen mit Gewalt“ // Deutschland-Start: 19. Februar 1970 (Kino) // 7. November 2016 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Mike (Arthur Brauss) und Werner (Klaus Löwitsch) arbeiten für dieselbe Firma und sind nach außen hin Freunde. Eigentlich versuchen sie sich gegenseitig stets zu übertrumpfen, wenn es um ihre sexuellen Eroberungen geht. Nach Feierabend und am Wochenende ziehen die beiden los, um in den nahen Kneipen und Diskotheken Frauen aufzureißen und mit ihnen Sex zu haben. Eines Abends begegnen Mike und Werner einer Gruppe Studenten, mit denen sie eigentlich wenig anfangen können. Jedoch hat die attraktive Alice (Helga Anders) es ihnen angetan und sie beschließen, die junge Frau schnell von ihren Freunden zu trennen. Als sich die passende Gelegenheit bietet, zögern sie nicht lange und fahren mit ihr an einen See, immer unter dem Vorwand, ihre Freunde würden bald nachkommen. Alice ahnt jedoch schnell, dass ihre Begleiter nichts Gutes im Schilde führen und sie verlangt, nach Hause gebracht zu werden. Doch dafür ist es schon längst zu spät.

„Wir raten ab.“

Mit den Filmen des Regisseurs und Fotografen Roger Fritz hatte die Kritik schon immer so ihre Probleme, so auch mit seinem 1970 entstandenen Werk Mädchen mit Gewalt, von dem die katholische Filmkritik gar abriet und mit dessen Zynismus nur wenige etwas anzufangen wussten. Im Laufe der Jahre hat sich die Rezeption dieses Films wie auch anderer Produktionen Fritz’ sehr verändert, was sehr löblich ist, denn gerade Mädchen mit Gewalt bildet durch seine Kargheit und seine Sicht auf die Gesellschaft eine Herangehensweise im deutschen Film ab, die man heutzutage leider vergebens sucht. Diese wütende Film blickt auf eine Welt, in der Gewalt und Sexismus an der Tagesordnung ist und auch noch ungestraft davonkommt.

An manchen Stellen wirken die beiden männlichen Hauptfiguren wie Tiere, die auf der Jagd sind. In Mikes Auto fahren sie zu einer Bekannten, der sie auflauern und die sie bedrängen, und nehmen zwei junge Frauen mit, die sie, nach kurzer Übereinkunft, einfach am Wegesrand aussetzen, bevor sie sich lachend aus dem Staub machen. Auf der einen Seite ist es der animalische Trieb, der Mike und Werner motiviert, doch andererseits ist es das Wissen, ungestraft agieren zu können und ihren Sexismus auszuleben, der an manchen Stellen schon eher an Misanthropie grenzt. Beinahe dokumentarisch begleitet die Kamera die beiden bei ihrem Treiben, auch später, als sie mit Alice ein Opfer gefunden haben, das in ihre Falle getappt ist und das sie nun mit sichtlicher Genugtuung quälen.

Mike und Werner erinnern an die Entführer in Wes Cravens Das letzte Haus links oder die Vergewaltiger in Meir Zarchis Ich spuck auf dein Grab, die unter dem Deckmantel einer ignoranten Gesellschaft agieren konnten und sich dadurch zu immer neuen Schandtaten anstacheln. Ähnlich wie bei den genannten Beispielen wird auch Mädchen mit Gewalt zu einem Kammerspiel, in dem die beiden Männer mit Alice alleine sind, wobei Fritz’ Inszenierung kombiniert mit den Dialogen behandelt, ob Mike und Werner tatsächlich auch noch den Schein der Zivilisation fallen lassen und vollends ins Tierische abdriften. In Alices Augen spiegelt sich wider, wie sehr das menschliche Antlitz zu dem eines Wolfes wird – ein Anblick, den beide Männer nicht gerne sehen, aber doch gelernt haben, damit zu leben.

Eine gigantische Vergewaltigung

Mädchen mit Gewalt ist ein Film, der es seinen Zuschauern nicht leicht macht und der auch alles andere als perfekt ist. Gerade die Konfrontation zwischen den drei Hauptfiguren ist vielleicht etwas zu lang geraten und zieht sich an ein paar Stellen, doch dafür zeigt Fritz’ Film bitterböse Wahrheiten auf. Der Schrottplatz ist ebenfalls als Metapher zu verstehen, als Spiegel einer desolaten, kargen Welt, aber zugleich der Einsamkeit der Figuren. Das ausgeprägte Konkurrenzdenken der Herren genauso wie ihr Sexualtrieb können nicht über die spirituelle Leere ihres Daseins hinwegtäuschen.

Insbesondere Klaus Löwitsch als Werner verdient hier eine spezielle Erwähnung, da sich seine Figur diese Wahrheit über sein Dasein nicht eingestehen will und sich immer mehr in eine Aneinanderreihung von Posen, Phrasen und Selbstdarstellung zu retten sucht. Ihm gegenüber wirkt Arthur Brauss’ Mike wie ein Wiedergänger Patrick Batemans aus American Psycho, der Zynismus und Ekel als Maske einsetzt, um nicht die Wahrheit seiner Existenz zu sehen. Helga Anders’ Alice ist die Leidtragende, in physischer wie auch emotionaler Hinsicht, aber ebenso ein wichtiger Ankerpunkt für den Zuschauer, der mit ihr hofft, dass die Dunkelheit, welche die beiden Männer in ihrem Herzen tragen, nicht zur Ideologie wird.



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Mädchen mit Gewalt
fazit
„Mädchen mit Gewalt“ ist das filmische Äquivalent zu einem Schlag in die Magengrube. Roger Fritz zeigt eine zynische, sexistische und desolate Gesellschaft, in der Konzepte wie Ordnung und Sicherheit aufgehoben scheinen. Dramaturgisch mag das hier und da ein paar Schwächen haben, doch insgesamt ist "Mädchen mit Gewalt" ein so wütender und aufrüttelnder Film, dass man diese kleinen Mankos ignorieren kann.
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