
So ganz wusste Mickey Barnes (Robert Pattinson) ja nicht, worauf er sich einlässt, als er sich dafür einschreibt, ein Expendable zu werden. Sonst hätte er sich das vielleicht zweimal überlegt. Als Expendable reist er mit dem Raumschiff Drakkar und rund 200 Kolonisten auf den Planeten Niflheim. Während das von Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) und seiner Frau Ylfa (Toni Collette) geleitete Team versucht, den lebensfeindlichen Planeten für die Menschheit bewohnbar zu machen, ist Mickey für die gefährlichen Aufgaben zuständig, etwa für das Testen neuer Seren oder die Erkundung der Umgebung. So gefährlich, dass er stirbt, viele, viele Male. Dank eines speziellen Bioprinters wird jedoch nach jedem Ableben einfach eine neue Version hergestellt, welche die Erinnerungen des Vorgängers beibehält. Inzwischen hat sich Mickey daran gewöhnt, immer wieder getötet zu werden, er ist mittlerweile bei Nummer 17 angekommen und hat mit Nasha Barridge (Naomi Ackie) sogar eine Partnerin gefunden. Doch diese tödliche Routine wird eines Tages überraschend gestört …
Was lange währt, wird endlich gut
Bekannt ist Bong Joon-ho natürlich schon lange. War sein Debüt Hunde, die bellen, beißen nicht, eine schwarzhumorige Komödie, 2000 noch ein Geheimtipp, machte ihn sein Zweitwerk Memories of Murder, welches einen wahren Kriminalfall bearbeite, 2003 zum Star. Und doch werden den südkoreanischen Regisseur viele erst durch sein 2019 veröffentlichtes Ausnahmewerk Parasite kennengelernt haben. Der Satire-Thriller-Mix um eine Familie, die sich bei einer anderen einnistet, lief auf zahlreichen Festivals, war ein Hit in den Kinos und erhielt den Oscar für den besten Film des Jahres – als erster nicht-englischsprachiger Film. Umso größer sind die Erwartungen an seinen folgenden Film. Umso mehr durfte man von den endlosen Verschiebungen genervt sein. Eigentlich hätte Mickey 17 vor rund einem Jahr bereits veröffentlicht werden sollen. Im Anschluss wurde der Erscheinungstermin so oft hin und her geschoben, dass man die Hoffnung aufgeben durfte, dass da überhaupt noch etwas kommt. Nun ist das Werk da – und war jede Minute des Wartens wert.
Dabei ist die Adaption des gleichnamigen Romans von Edward Ashton ein Film, über den man im Vorfeld möglichst wenig wissen sollte. Zwar sind die Wendungen nicht ganz so überraschend wie bei Parasite vor knapp sechs Jahren, da der Trailer auf fahrlässige Weise vieles vorab verrät. Aber selbst mit dem Vorwissen geht es hier drunter und drüber. Das fängt schon damit an, dass Bong auf die beliebte Erzähltechnik zurückgreift, mitten in einer unglaublichen Szene anzufangen, um dann sehr ausführlich zu erzählen, wie es zu dieser kam. Bis man erst einmal weiß, worum es eigentlich in Mickey 17 geht, ist schon eine ganze Weile vergangen. Langweilig wird es einem dabei nicht, da die Geschichte um einen Mann, der auf gewisse Weise ständig stirbt und wiedergeboren wird, originell ist. Sie ist vor allem sehr unterhaltsam erzählt.
Brillanter Genremix, unterhaltsam und nachdenklich
Über weite Strecken ist Mickey 17 dann auch eine Komödie, die von der Absurdität der Ereignisse lebt. Ähnlich zu The Monkey sind da einige groteske Sterbeszenen dabei, mit Lust am schwarzen Humor. Teilweise ist der Film aber auch eine Satire auf eine kapitalistische Konsumgesellschaft, in der die Einzelnen keine Bedeutung haben. Man geht hier jedoch ein ganzes Stück weiter, zeigt sich noch kaltschnäuziger, als es in der Gegenwart bereits der Fall ist. Im weiteren Verlauf verschieben sich Tonalität und Fokus jedoch mehrfach, wie schon beim letzten Film von Bong ist auch das hier ein Werk, das mehrere Genres umfasst. Komödie und Science-Fiction treffen auf Romanze und Thriller. Es gibt Actionszenen, Abenteuer, aber auch dramatische Momente, die einem zu Herzen gehen.
Sie stimmen auch nachdenklich. Tatsächlich wird es dieses Jahr kaum einen anderen Film geben, der derart dazu geeignet ist, philosophische Diskussionen zu führen. Da geht es um den Wert des Lebens, geht es um Identität, um die Frage, was uns eigentlich ausmacht. So grotesk das Szenario ist, die Klasse von Mickey 17 besteht darin, wie ganz irdische, geradezu alltägliche Stoffe verarbeitet werden und man über diese viel sprechen und grübeln kann. Man kann sich aber auch einfach zurücklehnen und seinen Spaß haben, sei es mit dem Humor, den späteren spannenden Eskalationen und der fantastischen Optik. Gerade auch das Creature Design bleibt einem in Erinnerung und wäre für jeden Horrorfilm, jedes Abenteuer eine Bereicherung gewesen.
Zutiefst menschlich
Noch mehr aber ist es das Ensemble, welches den Film trägt. Während sich Collette und Ruffalo ungeniert dem Overacting hingeben und vergnügliche Karikaturen schaffen, da ist es Robert Pattinson, der die vielen Stränge, Gedanken und Genres zusammenhält und hier seine Vielseitigkeit unter Beweis stellt. Auch wenn es rund ein Jahr vor den Oscars vermessen ist, darüber nachzudenken, wer am Ende gewinnen wird: An dem, was der Engländer hier vorlegt, muss man erst einmal vorbeikommen. Mickey 17 mag von fremden Planeten erzählen, von Monstern und futuristischen Techniken. Und doch ist Bong ein zutiefst menschlicher Film geglückt, mit einer lebensbejahenden Aussage, wie sie im Moment nicht willkommener sein könnte.
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