
Im japanischen Coming-of-Age Drama wird nicht nur das alltägliche, beschauliche Leben in einem kleinen Örtchen am Meer porträtiert, sondern vor allem die Magie, die in diesem innewohnt. Lose zusammenhängende Episoden lassen die Zuschauenden am Sommer des Schülers Kanosuke (Kōnosuke Harada), einem angehenden Künstler, teilhaben, der sowohl mit seinen ähnlich kreativen Freund*innen abhängt, als auch das Treiben der Erwachsenen um ihn herum mitbekommt, die alle ihre eigenen, skurrilen Ziele verfolgen. Da ist beispielsweise seine Tante Meg (Koharu Sugawara), die Schulden von Künstler*innen eintreibt, oder die enigmatische junge Frau Yoko (Erika Karata), die mit ihrem Freund Takaoka (Kengo Kora), einem betrügerischen Handelsvertreter, von Stadt zu Stadt zieht, um Geld für den Umzug nach Paris aufzubringen.
Sommer, Sonne, Kunst
Das Meer rauscht, die Zikaden zirpen, eine Katze miaut, ein Eis wird geschleckt, eine Frau mit überdimensional langer Schirmmütze fährt Fahrrad: Es ist Sommer im idyllisch wirkenden Küstenstädtchen, und genau dieser soll für den 14-jährigen Konosuke unvergesslich werden. Dieser malt gerade ein Triptychon einer Meerjungfrau im klassisch japanischen Stil, hilft seinen Freund*innen bei Projekten in der bildenden Kunst sowie beim Theater und wirkt etwas nonchalant, bis er die eigentlich unentdeckt bleiben wollende Yoko beim Krebssammeln am Strand sieht und direkt hin und weg ist.
Das ist nur eine Episode aus Seaside Serendipity, bei der man meinen könnte, dass hier herzlich wenig passiere und Langeweile vorprogrammiert sei: Dem ist keinesfalls so. Dieser vorrangig an Kinder gerichtete Film mit komödiantischem Einschlag könnte am ehesten mit dem eigentlich mit Animes verbundenen Begriff „Slice of Life“ beschrieben werden, der dabei ein ganz eigenes Genre bildet, und auch ohne großartig stringente Storyline eine Welt konstruiert, in die man nur allzu gerne eintaucht – Seaside Serendipity ist quasi Urlaub für Auge, Herz und Seele.
Mit über 140 Minuten eher auf der zeitintensiveren Seite, zieht sich das Werk der Regisseurin und Drehbuchautorin Satoko Yokohama (The Actor), das auf der Berlinale 2025 Weltpremiere feierte, keinesfalls in die Länge, da man nicht darauf wartet, dass etwas passiert, sondern es einfach geschehen lässt. Selbst wenn man es möchte, könnte man nicht vorhersehen, welche Wendung als nächstes kommt, was die Charaktere als nächstes umtreibt, welchen Schabernack die Kinder (und auch die Erwachsenen, die auf ihre Weise ganz schön bekloppt sind) als nächstes im Sinn haben. Das Element der Überraschung sticht aus dem entspannten Stadt- und Strandleben heraus: Die Welt dieses Films ist im wahrsten Sinne des Wortes magisch. Surreale Momente durchbrechen immer wieder die Idylle und positive Gemächlichkeit, zeitweise fühlt man sich wie ein Kind, das die Welt mit ganz neuen, neugierigen Augen sieht.
Kindliche Kreativität
Dieser Film weckt inmitten seiner sanften Farbenfreude und natürlichen, meditativen Soundkulisse diverse Sehnsüchte: Die Sehnsucht nach Sonne und Freizeit, die Sehnsucht nach dem gemeinschaftlichen Erschaffen von Kunst, die Sehnsucht nach dem Suchen von Abenteuern im Kleinen. Trotz dem Anschneiden einiger ernster Themen schwebt über die gesamte Laufzeit hindurch eine Leichtigkeit, die sicherlich nicht nur Kindern Spaß bereitet und für diese lehrreich sein kann, sondern auch aufzeigt, dass das Erwachsenenleben nicht immer nur verkopft und kompliziert sein muss: Hier sind oftmals nämlich die Erwachsenen jene, die sich beständig selbst in die Patsche reiten, während die Kinder mit kreativen Lösungen den Tag vielleicht nicht unbedingt retten, aber ihn zumindest besser machen.
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