
Eigentlich hatten die Schüler und Schülerinnen einer Abi-Klasse nur ausgelassen feiern wollen. Doch als einer von ihnen, Marlin Baum (Max Wolter), auf einer Landstraße überfahren wird, ist die Feierlaune vorbei. Zuvor hatte er den Notruf gewählt und wollte der Polizei sagen, dass der bei allen beliebte Janusz Simiak (Louis Wagenbrenner) tot ist. Tatsächlich ist dieser seit der Feier verschwunden. Nur wohin? Was ist mit ihm geschehen? Leonie Winkler (Cornelia Gröschel), Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und ihr Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) versuchen das herauszufinden, was aber gar nicht so einfach ist, da das direkte Umfeld von Janusz dicht macht. Pikant für Gorniak: ausgerechnet Romy Brahms (Charlotte Krause) ist Teil dieses Umfelds, die Tochter von Paul (Hannes Wegener), mit dem sie seit Kurzem zusammen ist …
Dramatische Zustände in einer Abi-Klasse
Dieses Jahr mag man es beim Tatort offensichtlich sehr dramatisch. Da finden sich ständig irgendwelche tragischen Geschichten und kaputten Familien. Bei Restschuld wird das Verschwinden eines Mitarbeiters eines Inkassounternehmens zum Aufhänger, um zahlreiche Leute vorzustellen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen völlig verschuldet haben und am Leben zerbrechen. In Borowski und das hungrige Herz überdecken traurige, einsame Menschen ihre Leere mit Sex. In Das Ende der Nacht lernen wir nach dem brutalen Überfall auf einen Geldtransporter eine junge Frau kennen, die zur seelischen Gefangenen ihrer kriminellen Eltern wurde. Und als wäre das alles noch nicht abgründig genug, dreht sich Herz der Dunkelheit um Jugendliche, die Glück nur vom Hörensagen kennen.
Dabei geht es jedoch weniger um gesellschaftliche Aspekte, auch wenn das sicherlich möglich gewesen wäre. Es reicht nicht so wirklich für ein Generationenporträt, dafür fehlt letztendlich die Aussage, fehlt es an relevanten und tiefgründigen Einblicken. Was hingegen gut funktioniert: Tatort: Herz der Dunkelheit wirft ein Schlaglicht auf eine Gruppe, die sich schon lange kennt und die eine eigene Dynamik entwickelt hat, dabei aber nicht ganz so eng ist, wie nach außen hin verkauft wird. Je mehr die Polizei bohrt, umso mehr Brüche werden sichtbar. Da geht es um Eifersucht, um Ausnutzung, unerwiderte Gefühle und Mobbing. Wer sich diese Clique anschaut, verliert schnell den Glauben daran, dass es so etwas wie Freundschaft geben kann. Allein sein erscheint da irgendwie als bessere Alternative.
Hart und kalt
Zuschauer und Zuschauerinnen, die keine Lust auf anstrengende Menschen haben, brauchen es hiermit erst gar nicht zu versuchen. Dabei sind es nicht allein die Jugendlichen, die einem auf die Nerven gehen können. Bei der Polizei sieht es nicht besser aus. Ärgerlich ist zudem, dass mal wieder eine persönliche Verwicklung hineinmontiert wurde, die es gar nicht gebraucht hätte – wie bei so vielen deutschen Krimis. Immerhin: Bei Tatort: Herz der Dunkelheit wird diese Verbindung auf sinnvolle Weise genutzt, um die Krise von Gorniak herbeizuführen. Wo in anderen Filmen und Serien solche Geschichten auf irritierende Weise folgenlos bleiben, da leitet sich hier tatsächlich etwas Relevantes ab, auch aus dem wenig professionellen Verhalten. Wie zuvor bereits bekannt war, wird dies der letzte Fall für die Kommissarin sein. Und dafür musste man sich schon etwas einfallen lassen.
Als Krimi ist der Film eher weniger erwähnenswert. Natürlich sind da von Anfang an viele Fragen. Was ist mit dem Schüler geschehen? Wer könnte ihn getötet haben und aus welchem Grund? Die Auflösung ist aber nicht ganz so überraschend, selbst wenn das mit dem Tod anders gelaufen ist, als die meisten erwarten werden. Und doch ist Tatort: Herz der Dunkelheit kein schlechter Film. Atmosphärisch ist der Teil, zudem gut gespielt. Und irgendwie ist es ja auch faszinierend, mit welcher Kälte und Härte man hier miteinander umgeht. Da fröstelt es einem schon beim Zusehen. Tatsächlich bleibt von dem 1292. Teil des ARD-Dauerbrenners mehr zurück als von den meisten anderen Filmen, selbst wenn man im Anschluss das Bedürfnis hat, erstmal keine weiteren Menschen mehr zu sehen.
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