
Als am helllichten Tag mitten in Berlin ein Mann erschossen wird, steht die Polizei vor einem Rätsel. Wer könnte Jürgen Weghorst, der zuvor als Politiker gearbeitet hatte und zuletzt als Lobbyist tätig war, nur getötet haben? Ulrike Menzel (Tara Marie Linke), Chefin des Verbands, schweigt sich dazu aus, will nichts zu der Geschichte sagen. Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) gehen dem Fall nach und erfahren dabei, dass es offensichtlich einen politischen Hintergrund gibt. So soll die Menschenrechtsaktivistin Soraya Barakzay (Pegah Ferydoni) ihn zuvor bedroht haben. Nur mühselig kommt das Polizeiduo der Wahrheit auf die Spur. Dabei drängt die Zeit eigentlich, denn es wird nicht bei diesem einen Mord bleiben …
Thriller mit politischem Hintergrund
Nachdem der Tatort vergangene Woche aussetzen musste, geht die Krimireihe in eine neue Runde und wagt sich dabei auf ein politisches Minenfeld. Zuletzt hatte man darauf verzichtet, gesellschaftlich relevante Themen anzuschneiden. Bei Herz der Dunkelheit ging es um einen toten Jugendlichen, die Suche nach der Wahrheit enthüllte eine brüchige Konstellation und Abgründe hinter einer vermeintlichen Freundschaft. Die Woche davor musste in Das Ende der Nacht herausgefunden werden, wer den brutalen Überfall auf einen Geldtransporter zu verantworten hat. Die beiden Filme konzentrierten sich dabei primär auf ein persönliches Drama, die Welt drumherum wurde ausgeblendet. Vier Leben will hingegen auf etwas aufmerksam machen, was in der Öffentlichkeit gern versteckt wurde: das Debakel um den Abzug aus Afghanistan.
Manche werden sich vielleicht noch an die dramatischen Ereignisse zurückerinnern, als das Land 2011 plötzlich sich selbst überlassen wurde – mit teils fatalen Folgen. Viele dürften das auch verdrängt haben, zu viel hat sich seither getan, und sich entsprechend fragen: Braucht es das Thema? Dabei wird bei Tatort: Vier Leben klar, dass es durchaus noch immer relevant ist. Da geht es um die Frage nach Werten, aber auch Scheinheiligkeit, wenn diese nicht konsequent verteidigt werden, was in Europa zuweilen schwerfällt. Der Film spart dann auch nicht an Kritik, bohrt den Finger tief in die Wunde. Dafür wird in Kauf genommen, plakativ zu werden. Moralisierend wird es sowieso, ohne dass es wirklich zu einem Austausch kommt. Zwischendurch wird es beim Thema Rache mal etwas nachdenklicher und zwiespältiger, sonderlich vertieft wird das aber nicht.
Oberflächlich, aber spannend
Stattdessen setzt der 1293. Teil des ARD-Dauerbrenners auf Spannung. Dass die Diskussionen ein bisschen oberflächlich bleiben, liegt auch am Zeitdruck. Wie der Titel vorwegnimmt, steht da nicht nur ein Leben auf dem Spiel, da werden noch weitere Morde begangen. Für Nervenkitzel sorgt bei Tatort: Vier Leben nicht nur, dass da jemand tötet, sondern auch die Unverfrorenheit, wenn es die Opfer in aller Öffentlichkeit erwischt. Dadurch wird klar: Der Täter kann überall zuschlagen, man ist nirgends vor ihm sicher. Für einen Thriller ist das keine schlechte Voraussetzung. Insofern ist der Film auch für ein Publikum einen Blick wert, das sich für den politischen Faktor gar nicht interessiert, sondern einfach „nur“ unterhalten werden möchte.
Dafür nimmt man dann auch in Kauf, dass die Figurenzeichnung nicht besonders ist. So scheint man sich bei dem Polizeiduo darauf beschränken zu wollen, Karow als Hitzkopf und Bonard als ruhigen Gegenpol zu zeigen. Das funktioniert prinzipiell schon, ist über die Länge eines Films hinweg jedoch etwas wenig. Die eine oder andere Szene kann sogar etwas nervig sein. Dennoch ist Tatort: Vier Leben eine der besseren Folgen der letzten Zeit, hält einen zumindest für anderthalb Stunden gut beschäftigt. Ob der Film dabei den eigenen Ansprüchen genügt, darüber lässt sich zwar streiten. Er sticht zumindest im Überangebot deutscher Krimis etwas hervor, was man wirklich nicht von jedem Teil sagen kann.
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