Das Mädchen Anika (Anika Bootz) behauptet, mit Tieren kommunizieren zu können. Ihre Erziehungsberechtigten Myriam (Mara Bestelli) und Roger (Marcelo Subiotto) nutzen die Gabe, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie fahren mit einem zum Wohnmobil umgebauten Kleintransporter übers argentinische Land und lassen sich dafür bezahlen, dass Anika den Herrchen und Frauchen noch lebender oder bereits verstorbener Haustiere mitteilt, was diese unbedingt noch loswerden wollen. Mit diesem außergewöhnlichen Angebot schafft es das schräge Trio bis ins Lokalfernsehen.
Es fährt ein Bus nach Nirgendwo
Der Blick in Iván Funds Vita beeindruckt. Die Filme des 1984 geborenen Argentiniers waren bei namhaften Festivals vertreten. Bereits sein zweiter abendfüllender Spielfilm Los labios (2010), bei dem Fund gemeinsam mit Santiago Loza Regie führte, schaffte es nach Cannes in die Sektion Un Certain Regard. Sein bis dato letztes Drama Piedra noche (2021) war neben dem Festival im argentinischen Mar del Plata auch in San Sebastian und in Venedig zu sehen. Mit seinem jüngsten Film hat es der Regisseur in den Wettbewerb der 75. Berlinale geschafft. Was die seit Jahren geführte Diskussion um die Qualität von Deutschlands bedeutendstem Filmfestival zusätzlich anheizen könnte.
El mensaje, wie Funds Film im Original heißt, hätte gut in eine andere Sektion wie das Panorama gepasst. Mit der Entscheidung, das in Schwarz-Weiß gedrehte Roadmovie um den Goldenen Bären konkurrieren zu lassen, tut sich die Berlinale allerdings keinen Gefallen. Denn The Message, so der internationale Titel, ist einer jener Film, die wunderschön aussehen, aber nichts zu erzählen haben. Was ein wenig verwundert, denn die Prämisse hat durchaus Potenzial.
Außergewöhnliche Ausgangslage
Im Zentrum von Funds Film steht ein außergewöhnliches Trio: ein Tiermedium in Gestalt eines unschuldigen Mädchens und dessen zwei erwachsene, womöglich nicht ganz so unschuldige Begleiter, die daraus Kapital schlagen wollen. Auf eine solch skurrile Ausgangslage muss man erst einmal kommen. Das Kinopublikum muss diese Ausgangslage allerdings erst einmal erkennen, denn Iván Fund und sein Co-Autor Martín Felipe Castagnet haben gleich auf den ersten Seiten ihres Drehbuchs eine von vielen Hürden für einen ungehinderten Filmgenuss eingebaut.
Mitten ins Geschehen geworfen, müssen sich die Zuschauer sukzessive zusammenreimen, was hier eigentlich vor sich geht, in welchem Land wir uns überhaupt befinden und in welchem Verhältnis die Figuren zueinander stehen. An und für sich ist diese Erzählstruktur unproblematisch, trägt sie doch immerhin dazu bei, der Handlung einen Hauch Geheimnisvolles zu verleihen. Problematisch wird sie erst dadurch, dass dieses Rätselraten das Spannendste bleibt, was The Message über 90 Minuten zu bieten hat.
Wie Motten ums Licht
Das von Anika Bootz gespielte Tiermedium fährt mit den von Mara Bestelli und Marcelo Subiotto verkörperten Erziehungsberechtigten in einem umfunktionierten Kleintransporter durch die Gegend. Und gemeinsam mit dem Trio dreht sich alsbald auch die Handlung im Kreis. Die immer gleichen Szenen von Straßen, Rasthöfen und Hausbesuchen bei Tierbesitzern reihen sich aneinander. Eine gewisse Repetition haben Roadmovies nun einmal so an sich, entscheidend ist daher die Frage, wie man Abwechslung in die Monotonie bringt. Eine Antwort darauf bleibt der Regisseur jedoch schuldig.
Iván Fund zeigt keinerlei Interesse daran, irgendeiner Dramaturgie zu folgen. Weder entwickeln sich seine Figuren weiter, noch werden Konflikte ausgetragen. Am Ende dieser eintönigen Reise sind die Protagonisten genau dieselben wie zu Beginn. Dabei böte allein die Frage, ob hier ein großer Schwindel über die Bühne geht oder Anikas Gabe nicht doch echt ist, ausreichend Gelegenheit, die eine oder andere narrative Abzweigung zu nehmen. Stattdessen hält der Regisseur stur Kurs und es passiert: nichts. Aus dem potenziellen Faszinosum, mit Tieren kommunizieren zu können, so wenig Kapital zu schlagen, muss man erst einmal hinbekommen.
Immerhin: Dank der Aufnahmen des Kameramanns Gustavo Schiaffino sieht dieses Roadmovie bisweilen beeindruckend aus, entwickelt mitunter gar eine meditative Wirkung, inhaltlich wird der Film jedoch zusehends belangloser. Bezeichnenderweise ist die beste Einstellung von El mensaje auch die letzte: Das Licht einer Straßenlaterne lockt Insekten an. Zu den Klängen der Pet Shop Boys drehen sie sich wie die Figuren dieses Films im Kreis. „You were always on my mind“, singt Neil Tennant. El mensaje hat man hingegen bereits beim Verlassen des Kinosaals schon wieder aus dem Gedächtnis gestrichen.
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