
Das „verflixte siebte Jahr“ galt früher als erste ernsthafte Bewährungsprobe einer Ehe. Heute sind Beziehungen wesentlich kurzlebiger. Deshalb erscheint es äußerst mutig, dass die Dokumentarfilmerinnen Judith Keil und Antje Kruska ihre Langzeitbeobachtung über vier Paare auf genau sieben Jahre angelegt haben. Trotzdem trägt die Idee, auch wenn sich zwei der Paare getrennt haben. Die Liebe, von der fast alle zu Beginn dachten, sie sei die größte ihres Lebens, bleibt in veränderter Form bestehen. Sowohl bei dem lesbischen Ehepaar Sarah (24) und Patty (33), als auch zwischen Mirko (43) und Nicola (32), genau wie bei Benni (24) und Nici (24) sowie bei Michi (31) und Louis (34), die als einzige von Anfang an eine offene Partnerschaft vereinbaren.
Beobachten statt urteilen
Am Filmanfang stehen zwei Hochzeiten in Weiß und mit gebührendem Pathos. Sie zeigen, wie sicher man sich ist, den und die Richtige gefunden zu haben. „Vom Glück der Liebe, die plötzlich ins Leben eintritt“, spricht der Festredner auf der Feier von Sarah und Patty. Und freut sich, dabei sein zu dürfen, wie es mit den beiden in den nächsten Jahren weitergeht. Damit teilt er das Anliegen des Films. Auch wir dürfen beobachten und dabei sein, wie der Alltag gemeistert wird, wie Kinder dazukommen (recht bald, und das bei allen vier Paaren), wie man als Eltern die Partnerschaft neu definieren muss. Wozu uns die Dokumentation allerdings nicht verleitet, ist: Schlüsse zu ziehen, Wertungen abzugeben, Schuld zu verteilen. Schmutzige Wäsche wird nicht gewaschen im Auf und Ab der Liebe, weil der Filmtitel offenbar nicht im Sinne eines Ratgebers gemeint ist. Wir erfahren nicht, wie man es anstellen muss, dass die Liebe bleibt – das wäre auch äußerst vermessen. Sondern wir erleben, welche Wege sie geht, wie sie sich zuweilen verläuft oder in eine Sackgasse gerät. Aber auch, wie sie zurückkommt auf neuen Pfaden und eine andere Richtung einschlägt. „Die Liebe ist eine Baustelle“, hieß der Arbeitstitel des Films. Das trifft sein Anliegen und seine Herangehensweise auf den Kopf.
Langweilig wird es bei keinem der vier Paare. Krankenschwester Sarah will mit LKW-Fahrerin Patty unbedingt Kinder. Aber die künstliche Befruchtung mittels Samenspende erweist sich schwieriger als gedacht. Lange klappt es nicht, und als der kleine Anton endlich das Licht der Welt erblickt, weiß Sarah plötzlich nicht mehr, was sie an Patty hat. Auch Malermeister Mirko verliert irgendwann den guten Draht zu Nicola, die ihn in ihrem Job als Pizzabäckerin kennenlernt und ihm sofort verfällt. Dabei hätte sie gewarnt sein können. Mirko hat bereits vier Kinder mit drei Frauen. Die gemeinsame Tochter Ida ist sein fünftes, um das er sich aber auch nach der Trennung rührend kümmert. Schon bald wird auch Schauspielerin Michi schwanger, die die freie Liebe erproben will, während Fotograf Louis die Polyamorie skeptisch betrachtet und nur einwilligt, um Michi nicht zu verlieren. Doktorand Benni und Controllerin Nici bekommen schon mit Mitte 20 zwei Töchter, kriegen ihr Leben aber recht gut auf die Reihe, bis eine schwere Krankheit alles auf den Kopf stellt.
Trotz der Krisen und unliebsamen Überraschungen darf man sich Wie die Liebe geht nicht als wortreichen Beziehungsfilm vorstellen, bei dem ständig Probleme gewälzt werden. Dafür verlassen sich die beiden Regisseurinnen zu sehr auf die Gesichter ihrer Protagonistinnen und Protagonisten, die im Laufe der Langzeitbeobachtung die Kamera offensichtlich irgendwann vergessen. Oft spiegelt sich bereits in den Mienen, was erst später als Information nachgereicht wird. Etwa wenn Nicola plötzlich wieder bei ihrer Mutter eingezogen ist und man schon beim Gang zu der neuen Wohnung spürt, dass sich etwas verändert hat. Ihr Freund Mirko hat sie rausgeworfen. Der Grund dafür wird kurz angetippt, aber nicht ausgewalzt.
Große Vertrauensbeweise
Eigentlich würde man gern mehr über die Hintergründe erfahren, um sich ein Urteil zu bilden. Aber der Film verweigert sich dem konsequent. Die Kamera bleibt stets diskret, sie hält einen gewissen Abstand und ist nicht dabei, wenn die Fetzen fliegen. Die Sicherheit, die das Drehkonzept allen Beteiligten verschafft, zahlt sich aus. Die Paare fassten so großes Vertrauen, dass sie Momente erstaunlicher Intimität zuließen. Einmal sind wir bei einer Geburt quasi live dabei. Ein andermal gehen wir mit zu einem schwer Erkrankten, dessen Wesen völlig verändert erscheint.
Zuweilen wird es über einen Zeitraum von zweieinhalb Stunden mühsam, sich von Alltagsszene zu Alltagsszene zu hangeln. Lange zeichnen sich keine Dramaturgie und kein roter Faden ab in einer Aneinanderreihung von Zufällen, individuellen Geschichten und familiären Besonderheiten. Irgendwann lohnt sich aber das Warten doch. Unter der Oberfläche schält sich nämlich so etwas wie die Erkenntnis heraus, dass keine Liebe gleich ist. Dass jedes Paar seinen eigenen Weg gehen muss. Und vor allem: Dass sich die Liebe wandelt, ohne dass man sagen kann, welche Gestalt die bessere oder schlechtere wäre. Wie es weitergeht mit den fünf Frauen, den drei Männern und ihren Kindern, bleibt naturgemäß offen. Aber so wie wir sie kennengelernt haben, darf man ihnen getrost die Daumen drücken.
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