
Der aus Syrien stammende Schriftsteller Munir (Georges Khabbaz) lässt in einer Hamburger Praxis seine Lungenfunktion untersuchen. Der Grund: plötzlich einsetzende Kurzatmigkeit. Die Diagnose: alles in Ordnung. Der Rat: einfach mal entspannen. Doch Munir fällt es schwer, sich zu entspannen. Etwas lastet auf ihm, auch wenn er nicht ganz definieren kann, was. Die Stress- und Traurigkeitsschübe kommen, wenn er sich mit seiner anscheinend dementen Mutter (Nidal Al Achkar) per Videocall unterhält, wenn er mit seiner Liebschaft Sarah (Laura Sophia Landauer) im Bett ist, wenn ihm abermals nicht einfällt, was er schreiben soll. Munir kann nicht mehr und reist mit einer Pistole auf die nordfriesische Hallig Langeneß, um seinem Leiden ein Ende zu setzen, trifft dort jedoch auf die Pensionsbesitzerin Valeska (Hanna Schygulla) und ihren Sohn Karl (Tom Wlaschiha), die seinen Aufenthalt ungeplant verlängern.
Heimweh, Sehnsucht, Melancholie
Yunan von Ameer Fakher Eldin setzt von Anfang an auf Symbolik, auf nur erahnbare Themen, die nicht direkt ausgesprochen werden. So diffus die Ausgangslage, so der Gemütszustand von Munir, der, obwohl er sich nach seiner Flucht aus Syrien bereits ein ansehnliches Leben in Deutschland aufbauen konnte, in eine existenzielle Krise verfällt – vor allem plagt ihn das Heimweh, die Sehnsucht nach seiner Mutter, nach seinem Elternhaus, das er in biblisch anmutenden Sequenzen immer wieder im Traum sieht. Begleitend dazu schallen ihm die Worte einer Geschichte, die ihm seine Mutter erzählte, durch den Kopf: die vom verwunschenen Hirten, der nichts hat, außer seiner Schafherde und seiner wunderschönen Frau. Sprachlich unfassbar poetisch, wie es oftmals in arabischen Gedichten ist, erschließen sich Sinn und Aussage dieser Allegorie und die Verbindung zu Munir leider nicht; nur, dass er genauso ziellos umherwandert.
Genauso fehlt die Verbindung Munirs zu den Bewohnenden der kargen Hallig, auf der er eigentlich in Ruhe sein Leben beenden möchte, dann aber doch lebenswerte Momente erlebt. Eigenbrötlerisch treibt er sich herum, fährt Fahrrad durch den Regen, steht abseits, hält sich in seinem Zimmer auf. Selbst wenn es zu auftauenden Gesprächen, vor allem mit Valeska, kommt, wirken die Dialoge hölzern, die Sprüche teilweise bedeutungsschwanger, aber dann doch seelenlos, was sich auch auf die Verbindung auswirkt, die man als Zuschauer*in zu den dargestellten Menschen hat – man spürt sie nicht, was gerade bei solch einem emotionalen, tiefgehenden Thema störend ist. So spielt ein Tom Wlaschiha zwar gewohnt gut, kommt als Karl allerdings unnötig verbittert rüber und mag ebenfalls nicht so recht mit seiner Umgebung zu clicken.
Wenige Worte, viele Vibes
Hervorstechend ist in Yunan die Kinematographie, die eher düster und entsättigt ist, dabei perfekt zum windigen und stürmischen Langeneß passt, das in seiner ganzen natürlichen Brachialität ein passendes sowie interessantes Setting für einen sehr ins Grübeln verfallenen Mann darstellt. Auch die Traumsequenzen sind schön anzusehen, emulieren die Gefühle von Munirs Heimat und Einsamkeit äußerst treffend. Manche Kulissen, vor allem innerhalb diverser Häuser und Wohnungen, sind jedoch fast schon zu glattpoliert und arrangiert, so dass der Film dort an Emotionalität verliert. Das ist schade: Ameer Fakher Eldin präsentiert nämlich viele coole Ansätze, die auch ohne stringente Story genau die richtigen, rührenden Vibes vermitteln, allerdings wird man ständig von nicht ganz zu Ende gedachten Szenen herausgerissen. Thematisch an Abba Kiarostamis Der Geschmack der Kirsche und optisch an McDonaghs The Banshees of Inisherin erinnernd, erreicht dieser Vertreter des Slow Cinema leider nie die emotionale Intensität und den Tiefgang vergleichbarer Werke.
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