
Agnes (Agnes Geneva) ist eine indonesische Transfrau, die sich in den Niederlanden ein neues Leben aufgebaut hat. Sie genießt die Gesellschaft ihrer queeren Freunde beim Badminton und betreibt zusammen mit ihrer besten Freundin Rini (Mak Rini) ein kleines indonesisches Restaurant in ihrem Zuhause. Doch die scheinbare Idylle wird erschüttert, als ihr jüngerer Bruder Indra (Gianluca Koeswanto) überraschend aus Timor anreist. Er sucht nach seinem älteren Bruder Hans – ohne zu wissen, dass Hans und Agnes dieselbe Person sind. Agnes steht vor der schwierigen Wahl, ihre wahre Identität vor ihrer Familie weiterhin zu verbergen oder Indra die Wahrheit zu sagen. Eine mögliche Versöhnung schwebt über der Begegnung, doch der emotionale Prozess gestaltet sich komplizierter, als Agnes es sich vorgestellt hat.
Hybrid aus Fiktion und Dokumentation
Regisseur Daniel Donato hat für Call Me Agnes einen hybriden Ansatz gewählt, der sich zwischen Fiktion und Dokumentation bewegt. Die Geschichte basiert lose auf dem realen Leben der Hauptdarstellerin Agnes Geneva, die nicht nur sich selbst spielt, sondern auch am Drehbuch mitgewirkt hat. Auch andere Darsteller schlüpfen in Rollen, die ihrer eigenen Realität sehr nahekommen. Dieser dokumentarische Einschlag verleiht dem Film eine gewisse Intimität und Authentizität, die es dem Publikum ermöglicht, sich tief in die Thematik von Identität, Familie und Selbstakzeptanz hineinzufühlen. Doch genau dieser Ansatz erweist sich zugleich als Schwachpunkt, denn Donato scheint nicht recht zu wissen, in welche Richtung er den Film steuern will.
Die Erzählweise von Call Me Agnes mag unkonventionell und experimentell sein, doch sie geht nicht immer auf. Immer wieder wird die eigentliche Handlung unterbrochen, sei es durch musikalische Einlagen von Agnes oder dokumentarische Einschübe, in denen sie direkt in die Kamera spricht. Zwar sorgen diese Momente für einen tieferen Einblick in ihre Vergangenheit und innere Welt, doch sie hemmen zugleich den narrativen Fluss. Die Geschichte um die schwierige Familienbegegnung entwickelt sich nur langsam und wirkt stellenweise fast zögerlich, als würde auch der Film selbst davor zurückscheuen, Indra mit der Wahrheit zu konfrontieren. Diese Verzögerungstaktik kann als filmisches Stilmittel interpretiert werden, doch sie führt dazu, dass der Spannungsbogen nicht durchgehend aufrechterhalten wird.
Langatmiger Genre-Mix
Erschwerend kommt hinzu, dass Donato in seinem hybriden erzählerischen Ansatz auch noch verschiedene Genres zu mischen versucht – mit mäßigem Erfolg. Neben den dokumentarischen Elementen streut er auch komödiantische Szenen ein, die jedoch oft nicht zünden. Die humorvollen Passagen wirken deplatziert und nehmen dem Film teilweise die emotionale Schwere, die für die Thematik eigentlich nötig wäre. Auch die sporadisch eingestreuten Musikeinlagen tragen wenig zur Atmosphäre bei, sondern verlangsamen eher das Erzähltempo. Anstatt die emotionale Tiefe der Hauptfigur zu unterstreichen, bewirken sie das Gegenteil: Sie lassen den Film künstlich in die Länge gezogen erscheinen, obwohl er mit 93 Minuten eine durchaus moderate Laufzeit hat.
Dass Call Me Agnes trotz dieser erzählerischen Schwächen ein sehenswerter Film bleibt, verdankt er seiner starken Hauptfigur. Agnes Geneva ist zweifellos eine faszinierende Persönlichkeit, deren Geschichte berührt und deren Präsenz auf der Leinwand Authentizität vermittelt. Doch leider gelingt es dem Film nicht, ihr inneres Dilemma greifbar zu machen. Zwar werden ihre Ängste und Zweifel ausgesprochen, doch sie bleiben abstrakt, sodass das Publikum nie wirklich in ihren inneren Konflikt eintaucht. Das liegt weniger an Genevas schauspielerischen Fähigkeiten als vielmehr an der unentschlossenen Inszenierung. Letztlich bleibt Call Me Agnes eine ambitionierte, aber unausgereifte Mischung aus Doku-Drama, Komödie und Musical, die es nicht schafft, ihre vielversprechenden Ansätze zu einem stimmigen Ganzen zu formen.
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