Regisseurin Céline Sallette

Céline Sallette [Interview]

Niki de Saint Phalle erzählt die Geschichte der gleichnamigen Künstlerin, verkörpert durch Charlotte Le Bon, die mit ihren knallbunten Nana-Figuren weltweit berühmt geworden ist. Anstatt sich aber auf diese Triumphe zu konzentrieren, beschäftigt sich die als Schauspielerin bekannt gewordene Céline Sallette in ihrem Regiedebüt mit der Zeit vor dem Durchbruch. Diese war zum Teil alles andere als glorreich, unter anderem erzählt der Film von der Zeit, als sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde, weil sie ein unverarbeitetes Trauma mit sich herumträgt. Anlässlich des Kinostarts am 20. März 2025 haben wir uns mit der Französin über die Arbeit an dem Drama unterhalten und Kunst als Mittel der Verarbeitung.

Könntest du uns etwas über die Entstehung von Niki de Saint Phalle verraten? Wie kam es zu dem Film?

Ich habe ein Interview mit ihr gesehen, das in den 1960ern geführt wurde. Der Mann, der das Interview führte, war schon ziemlich frauenfeindlich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er sagte zu ihr, dass ihre Arbeit nicht sehr feminin sei. Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie müsse keine Blumen malen, nur weil sie eine Frau sei. Als Frau würde sie gebären und eine Geburt sei hässlich mit viel Blut. Deswegen sei auch ihre Kunst feminin. Das hat mich sehr beeindruckt. Es war so, als würde sie zu einem heutigen Publikum sprechen. Und noch etwas fiel mir bei dem Interview auf: Niki sah Charlotte Le Bon unglaublich ähnlich. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, einen Film über Niki mit Charlotte in der Hauptrolle zu drehen.

Aber warum hast du diesen Film selbst gedreht, obwohl du vorher noch nie Regie geführt hast? Du hättest auch zu jemand anderem gehen können und ihm sagen, er solle einen Film über Niki drehen.

Das ist auch die Geschichte meiner eigenen Verwandlung. Vor zehn Jahren war ich in einer Beziehung mit dem Vater meiner Tochter, die mit einer großen Abhängigkeit verbunden war. Er war Alkoholiker und ich konnte ihn einfach nicht verlassen. Ich hätte einfach nicht allein leben können. Als Schauspielerin war ich auch immer in einem Abhängigkeitsverhältnis. Ich war davon abhängig, was andere in mir sahen. Und mir wurde klar, dass ich etwas ändern muss. Dass ich einen Weg finden muss, aus dieser Abhängigkeit herauszukommen und unabhängiger zu werden. Also habe ich Hilfe gesucht und mit einer Therapie angefangen. Dabei habe ich gemerkt, dass ich nicht ich selbst bin und ich mich selbst finden muss. Mir wurde klar, dass ich meine eigenen Geschichten erzählen muss. Also habe ich einen ersten Kurzfilm gedreht und dadurch Feuer gefangen.

Viele Schauspieler und Schauspielerinnen, die anfangen Regie zu führen, spielen in den eigenen Filmen mit. Für dich hätte das bedeutet, weniger abhängig zu sein, wenn du beides machst. War das je eine Option für dich?

Nein, auf keinen Fall. Wenn du bei einem Film Regie führst, bist du Jahre damit beschäftigt. Das könnte ich mir so nicht leisten. Als Schauspielerin verdienst du einfach mehr Geld, deswegen werde ich das auch weiterhin machen. Es macht mir auch richtig viel Spaß andere zu filmen, während ich kein Bedürfnis habe, mich selbst zu filmen. Ich sehe mich selbst auch ungern in Filmen. Deswegen, wenn ich die Chance habe, mit anderen Filme zu drehen, dann mache ich das.

Dann kommen wir auf Niki zu sprechen. Wie sah deine Recherchearbeit aus, abgesehen von diesem einen Dokumentarfilm?

Ich habe sehr viel recherchiert. Natürlich habe ich die Biografie von Catherine Francblin gelesen. Sie ist die Grundlage für alles. Von ihr habe ich auch die beiden Bilder, die ich in meinem Film verwende: die Verwandlung von einer kleinen Prinzessin in eine Frau, die ihre Kunst als Waffe benutzt. Dann habe ich ihre Autobiografie Harry and Me – 1950–1960 – Die Familienjahre gelesen, die sich genau mit den zehn Jahren befasst, von der ich im Film erzähle. Die ganzen Details im Film stammen aus diesem Buch, zum Beispiel, dass Niki in der Anstalt keinen Klebstoff haben durfte. Natürlich habe ich auch über die anderen Menschen in ihrem Leben nachgelesen, die Menschen aus ihrem künstlerischen Umfeld wie die Nouveaux Réalistes und Yves Klein, von dem ich überzeugt bin, dass er ihr geheimer Liebhaber war. Dass es einen gab, ist bekannt. Sie hat aber bis zum Schluss verschwiegen, wer das war. Und natürlich habe ich viel zu dem Thema Inzest gelesen, das war der schwierigste Part.

Normalerweise handeln solche Künstlerporträts vor allem von der künstlerischen Hochphase, wenn die porträtierte Person ihre größten Erfolge feiert. Du konzentrierst dich hingegen auf die Zeit vor ihrem Durchbruch. Weshalb hast du dich dafür entschieden?

In diesen Künstlerfilmen hast du oft das Gefühl, dass das alles ganz einfach ist und dass es quasi vorbestimmt war, künstlerisch Erfolg zu haben. Aber das ist verrückt. Nichts ist vorbestimmt. Wenn du etwas erreichen willst, ist das mit verdammt viel Arbeit verbunden. Du bist auch immer wieder in Situationen, in denen du dich nutzlos fühlst, am falschen Platz, müde oder genervt bist oder verzweifelt. Ihre Geschichte ist auch ganz anders als die von anderen Künstlerinnen. Teil ihres Werdegangs ist ihre familiäre Situation. Sie hat immer wieder davon gesprochen, wie es ist, eine Ehefrau und Mutter zu sein. Die Familie ist ein zentrales Thema bei ihr, nicht irgendeine Randerscheinung.

Du beschreibst in deinem Film ausführlich ihre Zeit in der psychiatrischen Anstalt. Inwieweit hat diese Zeit ihre Arbeit als Künstlerin beeinflusst?

Kunst ist oft ein Weg, um mit dir selbst im Klaren zu sein und dich besser zu fühlen. Manche greifen, wenn sie sich schlecht fühlen, zur Flöte und fühlen sich gleich besser. Kunst hilft dir, mit diesen nicht perfekten Erfahrungen zurechtzukommen, die du als Mensch immer hast. Wenn du die Szenen nimmst, in denen sie die Messer versteckt hat: Ihr Körper versuchte etwas auszudrücken und etwas gegen diese traumatischen Erfahrungen zu machen, die sie verdrängt hatte. Später hat sie angefangen, diese Erfahrungen auch künstlerisch zu verarbeiten. Wenn du so willst, sind diese Messer daher der Anfang ihrer Kunst. Der Unterschied ist, dass ihre Kunst ein bewussterer Umgang damit ist.

Nachdem du dich jetzt so viel mit ihr und ihrer Kunst beschäftigt hast, wie hat das dich bei deiner eigenen Kunst beeinflusst? Was hast du von ihr gelernt?

Es hilft mir, wenn ich selbst schlechte Erfahrungen mache. Es gibt in Frankreich ein bekanntes Magazin Télérama und ich habe immer davon geträumt, dass einmal ein Film von mir darin besprochen wird. Und dann wird er verrissen. Ich war so schockiert und am Boden zerstört. Niki hat mir geholfen, darüber hinwegzukommen, indem sie mir sagt: Es ist okay, wenn dich jemand nicht mag. Ich hatte sehr viel Glück, dass ich den Film machen konnte, so wie ich ihn machen wollte. Und dafür bin ich dankbar.

Vielen Dank für das Interview!



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