Die Geliebte des franzoesischen Leutnants
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Die Geliebte des französischen Leutnants

Die Geliebte des franzoesischen Leutnants
„Die Geliebte des französischen Leutnants“ // Deutschland-Start: 11. März 1982 (Kino) // 18. Februar 2022 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

In einem kleinen Dorf an der englischen Küster geht der Forscher Charles Henry Smithson (Jeremy Irons) seinen Ausgrabungen nach. Er verlobt sich mit der Tochter eines wohlhabenden Kaufmannes und scheint eine sorgenfreie Zukunft vor sich zu haben, bis zu dem Tag, an dem er Sarah Woodruff (Meryl Streep) kennenlernt. Sarah ist im Ort verschrien, weil sie vor vielen Jahren die Geliebte eines französischen Soldaten gewesen sein soll, auf dessen Rückkehr sie noch immer wartet. Smithson nimmt Anteil an dem Schicksal Sarahs, die als Haushälterin für eine reiche Witwe arbeitet, und beginnt sich in sie zu verlieben. Schließlich ist er an einem Punkt, an dem er bereit ist, alles für seine Liebe zu Sarah aufzugeben, doch sie beginnt, sich ihm zu entziehen.

Mike (Irons) und Anna (Streep) sind Schauspieler und arbeiten derzeit an einer Verfilmung von Die Geliebte des französischen Leutnants. Beide sind in einer Beziehung, doch das hindert sie nicht daran, während der Dreharbeiten eine Affäre zu beginnen, die ein offenes Geheimnis am Set zu sein scheint. Als der Dreh seinem Ende zugeht, muss sich Mike eingestehen, dass die Affäre mehr für ihn ist und er Anna liebt, was sie zu erwidern scheint. Wie der Forscher Smithson, den er im Film spielt, ist er bereit, seine glückliche Ehe aufzugeben für die Liebe zu einer anderen Frau.

Eigentlich unverfilmbar

Im Grunde hat es Regisseur John Frankenheimer auf den Punkt gebracht, als er sagte, man könne John FowlesDie Geliebte des französischen Leutnants eigentlich nicht verfilmen, weil es alleine die formale Struktur des Romans nicht zulasse. Sehr der Postmoderne verschrieben, spielt Fowles mit Aspekten wie beispielsweise einem kommentierenden Erzähler oder der Brechung der fiktionalen Ebene, um die Künstlichkeit der Geschichte zu vergegenwärtigen. Die Verfilmung, die dann unter Karel Reisz’ Regie doch entstand, reduziert die Vorlage auf ihre essentiellen Punkte, womit ihr das Kunststück gelingt, eine Parallelgeschichte zu erzählen, die letztlich von dem Wert der Freiheit berichtet, damals wie heute, wie sehr Menschen ihrer Pflicht oder eben ihrer Neigung nachgehen, besonders in Herzensangelegenheiten.

In einem bezeichnenden Moment wird Smithson, ein Anhänger der Evolutionstheorie Darwins, daran erinnert, dass kein vernünftiger Mensch daran glaube, man stamme von Affen ab. Tatsächlich scheint in der kleinen Küstenstadt Lyme Regis, die eine visuell bisweilen sehr eindrucksvolle Kulisse für den Film ist, die Zeit still zu stehen und die Hierarchien festgefahren, doch man ist auf dem Weg in eine neue Zeit. In der Gegenwart des Films, also der zweiten Ebene, hat man sich zwar von den gesellschaftlichen Strukturen des viktorianischen Englands entfernt, jedoch scheinen viele Umstände, Zwänge und Verpflichtungen noch gleich. Die Moderne ist in der zweiten Erzählebene zwar immer deutlich erkennbar, aber Reisz’ Inszenierung, besonders die Nutzung paralleler Elemente wie der Natur, des Wetters oder diverser „Echos“ in den Dialogen zwischen Mike und Anna bzw. Sarah und Charles sind nicht einfach nur Betonungen der Emotionalität der Figuren. Wie in Fowles’ Roman scheint es um Zustände zu gehen, die nach wie vor da sind, die auch nicht durch den Fortschritt verschwunden sind und sich in der Gegenwart lediglich anders definieren. Die Fiktion zeigt die Grenzen und sprengt sie, doch außerhalb dieses Rahmens stellt sich bei Fowles’ Roman wie auch bei Reisz’ Verfilmung die Frage nach deren Erfüllbarkeit.

Freiheit, damals wie heute

Besonders die Freiheit steht in der Postmoderne immer wieder zur Debatte. In Fowles’ Roman ist es letztlich auch der formale Rahmen, der Grenzen aufzeigt, einengt und schlussendlich auf den Mangel an echter Freiheit verweist. Egal ob als Mike oder als Charles, Jeremy Irons spielt einen Unfreien, der tief verwurzelt ist mit Strukturen, die Halt und Komfort versprechen, aber zugleich eine Verpflichtung nach sich ziehen. Mery Streep als Sarah oder Anna ist ebenso in einer Sackgasse gefangen oder vielmehr einer Rolle, die sie spielt und die besonders für Sarah als Charakter sinnbildlich für eine Schuld steht. Streeps Figuren kämpfen am meisten um ihre Freiheit, um das „Zimmer für sich“ wie man es mit Blick auf das Geschehen im Film vielleicht sagen kann. Fowles und Reisz bestimmen dies, wie die Autorin Virginia Woolf, als einen Raum der Freiheit, eine Utopie bis zu einem gewissen Grad, dessen Erreichen immer ungewiss bleibt. Während jedoch Fowles auch den strukturellen Rahmen, also die Fiktion an sich, sprengen will, scheint die Verfilmung drauf abzuzielen, die Bestimmung des Menschen durch seine Rolle aufzuzeigen, ob man bereit ist, sich gegen sie zu stellen, oder eben brav auf der Bühne des Lebens weiterzuspielen. Dass diese Ebene erreicht wird, ist nicht zuletzt auch dank des intelligenten Drehbuchs Harold Pinters erreicht worden.



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Die Geliebte des französischen Leutnants
fazit
„Die Geliebte des französischen Leutnants“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von John Fowles. Harold Pinters Drehbuch sowie Karel Reisz’ Inszenierung erzählen von den Rollen, die wir spielen und inwiefern sie uns unsere Freiheit nehmen, oder eben wie man ihnen entkommen kann. Trotz ihrer verschiedenen Ebenen bleibt die Verfilmung nicht nur zugänglich, denn durch die Schauspieler, die Bilder und letztlich die Dialoge wird die Unfreiheit eines Menschen aufgezeigt und vielleicht sogar ein Ausweg aus dieser.
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