
Der Schock ist groß bei Issam (Jameel Khoury) und seiner Frau Amal (Shaden Kanboura), als auf einmal Männer vor ihnen stehen und behaupten ihr Haus in Ost-Jerusalem wäre verkauft, sie müssten sofort ausziehen. Doch zumindest bei Issam ist der Schock nur gespielt. Tatsächlich hat der hoch verschuldete Araber den Verkauf selbst forciert, was aber niemand wissen darf. Denn wenn Araber in Jerusalem an Juden verkaufen, gelten sie als Verräter. Eingefädelt hat den Deal Momi (Yehuda Levi), ein ehemaliger Agent des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, der völlig ohne Skrupel dafür sorgt, dass die jüdische Bevölkerung sich immer weiter ausbreitet und die arabische verdrängt. Sein neuestes Ziel ist Theodorus (Panos Koronis), der neu ernannte griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem. Denn die Kirche ist im Besitz des Hotels St. George, hinter dem die jüdische Stiftung AR-AA her ist …
Die perfide Enteignung in Ost-Jerusalem
Eigentlich ist bei arte ja der Donnerstagabend für Serien reserviert. Zuletzt lief da etwa die dänische Krimiserie Fatal Crossing – Der Fall Lisbeth und Lulu, bei der eine Journalistin eine alte Geschichte um zwei verschwundene Jugendliche wieder ausgräbt. Davor erzählte der ungewöhnliche britische Genremix Douglas Is Cancelled von einem Fernsehmoderator, dem ein unglaublicher Vorwurf gemacht wird. Etwas untypisch läuft mit East Side nun an einem Freitag eine Serie. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die israelische Produktion eigentlich schon viel früher hätte ausgestrahlt werden sollen, dann aber wieder aus dem Programm genommen wurde. Mit einer mangelnden Qualität hat das nichts zu tun. Vielmehr hängt die Entscheidung mit der Lage im Gaza-Krieg zusammen. Tatsächlich dauert es nicht lang, bis die Brisanz der Geschichte deutlich wird.
Genauer erzählt die von Yael Rubinstein-Nitsan und Yossi Madmoni entwickelte Serie von den Methoden, wie sich die jüdische Bevölkerung arabische Gebiete einverleibt. Wie heikel die Auseinandersetzung mit dem Thema ist, hat die Reaktion auf den Dokumentarfilm No Other Land gezeigt, der schonungslos offenbarte, wie das israelische Militär im Westjordanland vorgeht. In East Side sind die Ereignisse weniger brutal, da werden nicht einfach Gegenden zerstört. Sie sind auch weniger öffentlich. Vielmehr darf das Publikum mitansehen, mit welch perfiden Mitteln die Menschen dazu genötigt werden, ihre Häuser zu verkaufen. Ohne zu viel vorab zu verraten, da werden gnadenlos Schwachpunkte ausgenutzt. Dabei ist auch niemand vor den Machenschaften sicher. Wenn verarmte Araber gezwungen werden, ist das wenig überraschend. Dass aber auch die griechisch-orthodoxe drangsaliert wird, schockiert schon ein wenig.
Spannend und komplex
Insgesamt kommt die jüdische Bevölkerung hier wenig gut weg, East Side ist eine sehr offene Kritik an den versteckten Machenschaften und dem Versuch der Verdrängung. Man versucht aber schon, nicht zu einseitig ins Schwarzweiß-Denken zu verfallen. Beispielsweise begeht Momi seine Verbrechen, um seine autistische Tochter Maya (Geffen Kaminer) versorgen zu können, versucht zum Teil, den enteigneten Menschen tatsächlich zu helfen. Auch Meira (Sara Vino Elad), die als Repräsentantin der jüdischen Stiftung eine Antagonistin ist, hat ihre Gründe für ihr Verhalten. Umgekehrt gibt es auf der palästinensischen Seite eiskalte und brutale Mörder. Wie in der realen Welt ist die Wahrheit dann doch komplexer, die Grenzen zwischen gut und böse verschwimmen.
Da sind also schon ein paar Punkte, die zum Diskutieren einladen. Vor allem aber ist East Side eine sehr spannende Serie. So wechselt sie immer wieder von Drama zu Thriller und wieder zurück. Da geht es mal um die persönlichen Geschichten der Menschen und wie sie versuchen, einfach nur heil durchs Leben zu kommen. Mal stehen die Intrigen im Mittelpunkt, die in Drohungen umschlagen können. Oder auch in Gewalt, im Laufe der zehn Folgen wird es Tote geben. Immer wieder ist Nervenkitzel angesagt, wenn offen ist, wie weit diese zunehmende Eskalierung gehen wird und wer am Ende gewinnt. Manchmal hätte das etwas schneller gehen dürfen. Die Passagen rund um den Patriarchen, der seinen Vater sucht, passen beispielsweise nicht wirklich rein. Insgesamt ist das aber sehenswert, weshalb es gut ist, dass die Serie mit Verspätung doch noch zu uns gekommen ist.
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