The Assessment (Kinostart: 3. April 2025) nimmt uns mit in eine düstere Zukunft, in der die Ressourcen so knapp geworden sind, dass das Kinderkriegen zu einem Luxus wurde. Zu einem staatlich kontrollierten Luxus: Nur wer sich einer externen Beurteilung unterzieht und beweist, würdige Eltern zu sein, darf Nachwuchs bekommen. Den ersten Schritt haben Mia (Elizabeth Olsen) und Aaryan (Himesh Patel) geschafft, sie dürfen sich immerhin beurteilen lassen. Die Nervosität ist groß. Zudem müssen sie feststellen, dass Gutachterin Virginia (Alicia Vikander) nicht so ist, wie sie sich das im Vorfeld ausgedacht hatten, die Prüfung droht völlig schiefzugehen. Wir haben uns im Rahmen des Filmfest Hamburgs 2024 mit Regisseurin Fleur Fortuné unterhalten, die mit dem Science-Fiction-Thriller ihr Debüt gibt.
Könntest du uns verraten, weshalb du The Assessment gedreht hast? Was hat dich an dem Film gereizt?
The Assessment handelt von zwei Menschen, die unbedingt ein Kind haben wollen und sich einer staatlichen Beurteilung stellen müssen, ob sie überhaupt ein Kind haben dürfen oder nicht. Als Stephen Woolley, der ursprüngliche Produzent, mit dem Drehbuch auf mich zukam, hatte ich seit Jahren versucht, ein Kind zu bekommen, und versuchte, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden. Ich konnte mich also gut mit den Figuren identifizieren und dem, was sie durchmachen. Aber ich mochte auch die Geschichte, die mal emotional ist, mal lustig, aber auch düster und surreal.
Hatte die Arbeit an dem Film einen Einfluss auf deinen Wunsch, Kinder zu bekommen?
Nein, der blieb gleich. Tatsächlich bin ich während der Vorbereitungen auf den Film schwanger geworden. Danach dauerte es aber lange, bis wir wirklich mit dem Dreh anfangen konnten, weil so viel geschehen ist und wir erst die Finanzierung sichern mussten. Da war COVID, da waren die Lockdowns, außerdem haben wir lange an dem Drehbuch gearbeitet und es mehrfach umgeschrieben. Am Ende war meine Tochter schon anderthalb, bis wir tatsächlich gedreht haben.
Deine Geschichte spielt in einer Zeit, in der die Ressourcen sehr knapp sind, weshalb auch die Geburten reduziert werden müssen. Das klingt absurd. Aber ist es nicht auch irgendwie vernünftig, in einer solchen Situation darauf zu achten, dass nicht zu viele Menschen hinzukommen?
Ich will mit dem Film keine Antwort vorgeben, was die richtige Lösung. Wenn wir für unsere Kinder eine Welt haben wollen, in der sie glücklich sein können, müssen wir uns aber auf jeden Fall einschränken und weniger selbstsüchtig sein, mehr Kompromisse machen. Dabei geht es nicht nur um die Umweltprobleme. Die Menschen versuchen auch, immer länger zu leben, was dazu führen kann, dass es nicht mehr genug Platz für alle gibt. Das heißt dann nicht unbedingt, dass wir weitere Geburten verbieten müssen. Zumindest sollten wir uns aber bewusst werden, welche Probleme wir haben und diese auch offen ansprechen, anstatt nur auf sich selbst zu schauen.
In der Welt, wie du sie in The Assessment beschreibst, ist viel von der Natur, wie wir sie kennen, verlorengegangen. Es gibt keine Kinder mehr, die Tiere sind künstlich. Was macht es mit uns Menschen, wenn wir in einer Welt leben, die gar nicht mehr unsere ist und vieles nicht mehr real?
Wir haben wie gesagt lange an dem Film gearbeitet. Als wir angefangen haben, hätten wir nicht gedacht, wie aktuell er einige Jahre später sein würde. Wenn du dir das Thema künstliche Intelligenz anschaust, das ist auf einmal überall. Grundsätzlich habe ich nichts gegen künstliche Intelligenz, sie kann ein wertvolles Werkzeug sein, um das Leben einfach zu machen. Schwierig wird es aber, wenn sie anfängt, alles andere zu ersetzen wie unsere Kreativität. Deswegen halte ich es für wichtig, bei allem immer mal wieder innezuhalten und zu fragen: Will ich das wirklich?
Man sieht in deinem Film auch kaum noch menschliche Interaktionen. Die beiden haben zwar schon Freunde. Aber die meiste Zeit sieht man sie, wie sie allein und losgelöst von einer Außenwelt leben. Ist das etwas, das du aktuell in unserer Welt beobachtest? Dass wir einen Teil unseres Menschseins verlieren?
Zu einem gewissen Grad schon. Vieles ist heute einfach virtueller und die direkten Kontakte werden weniger. Die Menschen streamen ihre Filme zu Hause, anstatt sich mit anderen zu treffen und ins Kino zu gehen. Ich weiß noch, wie mir mein Vater erzählt hat, dass sein Onkel einen Fernseher hatte, was damals ganz selten war. Da kam dann immer der ganze Block zusammen, um gemeinsam fernzusehen. Heute hast du das nicht mehr, wir haben uns mehr voneinander entfernt. Insofern hat das bestimmt auch die Geschichte beeinflusst. Wobei ich das mit den wenigen Menschen bei The Assessment auch deshalb so gemacht habe, um mich auf die drei Figuren konzentrieren zu können. Ich wollte vor allem ihre Geschichte erzählen und die Welt drumherum eher weglassen.
Dann lass uns über das Thema Elternschaft sprechen. In The Assessment geht es um die Frage, ob Mia und Aaryan gute Eltern sind. Aber was bedeutet das, gute Eltern zu sein? Was macht das für dich aus?
Das weiß ich selbst nicht. Zunächst einmal solltest du dich wirklich um dein Kind sorgen und für es da sein. Mit der Frage ist noch eine andere verbunden: Warum willst du Kinder haben? Das hört sich so einfach an und ist doch sehr schwer zu beantworten. Es gibt sicher auch Leute, die aus den falschen Gründen heraus Kinder haben wollen und gar nicht darüber nachdenken. Sie bekommen Kinder, weil das immer dazu gehört hat und man es von dir erwartet, vor allem von Frauen. Aber je schwieriger es ist, Kinder zu bekommen, umso mehr musst du dich mit der Frage auseinandersetzen. Manchmal braucht es Jahre, um eine Antwort zu finden. Aber ich denke, wenn du herausgefunden hast, warum du Kinder haben willst, dann hilft dir das auch, bessere Eltern zu sein.
Und kann man überhaupt vorhersagen, ob Leute gute Eltern sein können? Oder musst du das einfach herausfinden?
Ich denke, dass du es herausfinden musst und es nicht vorhersagen kannst. Du wirst erst durch deine Kinder zu Eltern. Du musst lernen, ihnen zuzuhören und sich in sie hineinzuversetzen. Das heißt nicht, dass du ihnen alles erlauben musst, was sie tun wollen. Aber du musst verstehen, was in ihnen vorgeht und wie sich das für sie anfühlt, in diese Welt hineinzukommen und vieles nicht zu verstehen. Kinder stellen vieles in Frage, was für dich selbstverständlich ist, und helfen dir so, dich selbst damit auseinanderzusetzen.
Wie sieht das bei dir aus? Was hast du durch dein Kind gelernt?
Ich habe gelernt, geduldiger zu sein.
Das hilft vermutlich bei deiner Arbeit als Regisseurin, vor allem, wenn ein Projekt Jahre dauert.
Oh ja, absolut! Aber ich habe auch durch die Arbeit an dem Film vieles gelernt und über die Themen nachgedacht. Du fängst einfach an, vieles zu hinterfragen.
Ist das auch etwas, was du dir für dein Publikum erhoffst? Oder wolltest du es primär unterhalten?
Beides. Wenn du einen Film drehst und du willst, dass er gut ist, sollte er mehrere Schichten haben. Natürlich freue ich mich, wenn sich Leute meinen Film anschauen und davon unterhalten werden. Aber ich hoffe auch, dass sie mehr daraus mitnehmen und dass sie am Ende vielleicht selbst mit einigen Fragen aus dem Kino gehen und länger darüber nachdenken.
Und wie geht es für dich selbst weiter? Was sind deine nächsten Projekte?
Ich arbeite gerade mit Ilaria Bernardini zusammen, einer sehr talentierten italienischen Autorin, an einer Buchadaption. Die Geschichte handelt von zwei Menschen, die einmal ein Paar waren und einen Tag zusammen in Venedig verbringen. Dieser Tag wird für sie zu einer interessanten metaphorischen Reise, eine Mischung aus Drama und einer Liebesgeschichte.
Vielen Dank für das Interview!
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