O’Dessa nimmt uns mit in eine fremde postapokalyptische Welt, wo die Menschen nur noch mühsam über die Runden kommen. Einer davon ist die 19-jährige O’Dessa (Sadie Sink), die mit ihrer Mutter auf einer Farm lebt. Als Letztere stirbt, macht sich die junge Frau auf den Weg, ausgestattet mit einer Gitarre und zahlreichen Liedern, um ihre Bestimmung zu finden – und ihre große Liebe. Anlässlich der Veröffentlichung des psychedelischen Musical-Abenteuers am 20. März 2025 auf Disney+ haben wir Regisseur und Drehbuchautor Geremy Jasper interviewt. Dabei spricht er über die Entstehungsgeschichte des Films, künstlerische Integrität und welche Musik ihm durch dunkle Zeiten hilft.
O’Dessa ist ein ziemlich verrückter Film. Wie bist du auf die Idee dafür gekommen?
Das hat eigentlich alles ganz klein angefangen. Am Anfang stand die Idee für die Hauptfigur, um die herum ich dann alles andere aufgebaut habe: die Welt, die Musik, die Geschichte. Ich wusste zuerst nicht ihren Namen oder ihre Vorgeschichte. Da war nur das Bild, das ich von ihr hatte. Ein Bild, das ich viele Jahre zuvor von ihr gezeichnet habe: klein, zerlumpt, mit einer Gitarre in der Hand und einer Haartolle, umgeben von einer trostlosen, traumartigen Landschaft. Danach habe ich Jahre gebraucht, um diese Welt aufzubauen und ihre Geschichte zu finden. Am Ende hatte ich eine Collage von all den Dingen, die ich liebe, wenn amerikanische Folklore und Volksmusik auf Science-Fiction und eine dystopische Welt treffen.
Wie schwierig war es, andere davon zu überzeugen, dich bei dieser Reise zu begleiten?
Das war interessant. Es konnten nicht alle etwas damit anfangen. Aber diejenigen, die es verstanden haben, haben es wirklich verstanden. Die Leute, die an Bord gekommen sind, waren Piraten und würden alles hineinstecken: ihr Blut, ihre Nerven, die ganze Kreativität und ihre Fähigkeiten. Du hast es da mit einer ganz besonderen Form von Künstlern zu tun und ich war begeistert davon, wer alles mitmachen wollte. Aber es hat lange gedauert, um die richtigen Leute zu finden, die sich wirklich darauf einlassen konnten.
Deine Geschichte spielt in einer postapokalyptischen Welt. Normalerweise denken wir bei so etwas an ganz düstere Orte, die voll von Schwarz und Grau sind, vielleicht etwas Blau. Bei dir ist das anders, du hast eine sehr farbenfrohe Welt geschaffen. Warum hast du dich für ein solches Setting entschieden?
Ich hatte schon immer großes Interesse an seltsamen, psychedelischen Fantasywelten, wie du sie auf Prog Rock Album Covers gesehen hast. Orte, die irgendwie anders sind als unsere, ein eigenes Ökosystem haben. Ich wollte eine Welt, die nicht dem Klischee des dystopischen Films entspricht. Ich wollte diese Welt auf meine Weise abändern. Viele Jahre habe ich Bilder und Ideen gesammelt. Das ist also die Vision, wie ich sie seit Jahren schon in mir herumtrage. Und ich wollte einen Film, der so aussieht. Aber es hat gedauert, bis ich all die Farben gefunden hatte und die Welt sich für mich richtig anfühlte.
Aber hattest du nicht Angst, dass das Publikum das nicht verstehen würde? Du sprichst ja schon eine Reihe ernster Themen an. Da könnte es doch sein, dass es diese nicht erkennt, weil es auf eine ganz andere Optik konditioniert ist.
Stimmt, das kann passieren. Aber das war die Art Risiko, die ich eingehen musste. Es ist immer schwer vorherzusagen, was ein Publikum verstehen wird und was nicht. Du musst dann einfach vorangehen und auf das Beste hoffen. Darauf, dass es die Leute verstehen werden.
Das ist auch eines der Themen in deinem Film: die eigene künstliche Integrität. Auf der einen Seite ist es wichtig, dass du dir selbst treu bleibst. Auf der anderen Seite brauchst du aber andere Menschen. Du brauchst die Industrie, um das umzusetzen. Du brauchst auch ein Publikum. Wie hält man die Balance zwischen dem eigenen Ausdruck und der Notwendigkeit, anderen zu gefallen?
Das ist eine schwierige Frage. Du hast recht, alle Künstler und Musiker brauchen jemanden, mit denen sie ihre Werke teilen können. Was ich interessant an der Figur O’Dessa finde, ist, dass sie jemand ist, der nicht von einem Ego angetrieben wird. Sie will nicht berühmt werden oder reich. Sie will nur diese Lieder spielen, die in ihr drin sind. Dafür braucht sie kein Millionenpublikum. Aber sie braucht jemanden, der ihr zuhört und mit dem sie sich austauschen kann. Am Ende gelingt ihr das und sie kommuniziert mit sehr viel mehr Menschen, als sie sich vorgestellt hatte.
Du hast vorhin gemeint, dass der Film mit dem Bild von O’Dessa begonnen hat. Aber wer war sie?
Sie war am Anfang härter. Sie kaute und spuckte Tabak, war harscher, vielleicht auch etwas rauflustiger. Aber mit der Zeit wandelte sich das, vor allem, nachdem wir Sadie Sink gecastet haben. Figuren werden immer durch Besetzung und das, was diese mitbringen, mitgeformt, weil sie dadurch erst lebendig werden. Du startest eine Zusammenarbeit mit dieser Person. Sadie brachte etwas anderes für O’Dessa mit, eine gewisse Leichtigkeit und Freundlichkeit, und veränderte die Figur dadurch. Diese Punkte waren vorher schon da. Aber du kennst eine Figur immer erst dann, wenn du jemanden hast, der sie verkörpert.
Dann sprechen wir doch von dem Casting. Wonach hattest du gesucht? Hattest du Sadie im Sinn?
Nein, absolut nicht. Ich habe einfach nach einer Schauspielerin Anfang, Mitte zwanzig gesucht, die schauspielern kann, die singen und Gitarre spielen kann. Die auch die physischen Aufgaben erfüllen kann. Das war alles nicht leicht, eine Weile dachte ich, dass ich niemanden finden würde. Ich hatte aber das große Glück, dass Sadie durch andere an das Drehbuch gelangt ist. Sie drehte daraufhin ein Video, ohne mit mir vorher gesprochen zu haben. Ein einfaches Handyvideo im Hotelzimmer, wo sie auf der Gitarre eines der Lieder spielt. Sie hat mir nichts anderes geschickt, nur dieses Lied. Das war das großartigste Geschenk, das ich jemals von jemandem bekommen habe. Ich wusste sofort: Das ist sie, das ist O’Dessa! Sie klingt wie sie, sie sieht aus wie sie! Danach haben wir uns zusammengesetzt und die Figur weiterentwickelt.
Sie war also einer dieser Leute, die dich verstanden haben.
Oh ja! Sie wusste vielleicht nicht, in was sie hineingeraten war. (lacht) Aber die Figur, die hat sie instinktiv verstanden.
Dann lass uns etwas über die Musik sprechen. Du hast sehr unterschiedliche Stücke in O’Dessa, die auch noch mal alle ganz anders sind als die in Patti Cake$ – Queen of Rap. Wie schwierig war es für dich, die richtige Musik zu finden?
Das hat alles ziemlich gut geklappt. Natürlich war es eine Menge Arbeit. Aber die Musik ist ganz organisch entstanden, weil ich in erster Linie ein Songwriter bin. Die Musik in O’Dessa ist sehr viel näher an meinem eigenen Musikgeschmack dran als die Musik in Patti Cake$. Die Musik in Patti Cake$ war die Musik meiner Jugend, während O’Dessa die Art Musik ist, die ich selbst höre und mache. Jason Binnick, mit dem ich die Lieder geschrieben habe, und ich kommen von dieser Musik, weshalb das für uns recht einfach war. Wir haben Alben mit Gospel-Chören und Fuzz-Gitarren gemacht, aber auch ganz einfache Folkmusik. Mein Musikgeschmack ist recht breit gefächert und wir wollten, dass die Musik in dem Film so abwechslungsreich wie möglich ist.
Die Musik von O’Dessa wird für andere zu einer Inspiration. Sie gibt den Menschen auch Hoffnung für diese dunklen Zeiten. Welche Musik hilft dir durch dunkle Zeiten?
Oh, das ist eine gute Frage. Ich höre viel Bob Dylan, viel John Lennon, viel Tom Waits. Aber auch Alice Coltrane, die spirituellen Jazz gemacht hat. Brian Eno. PJ Harvey. Menschen, die dich auf eine Reise nehmen und eine andere Welt zeigen.
Nachdem wir von dem Einfluss anderer auf dich gesprochen haben, wie sieht es umgekehrt aus? Was hoffst du, dass das Publikum von dem Film für sich mitnimmt?
Ich hoffe, dass die Menschen inspiriert werden. Als ich jünger war, in meinen Zwanzigern, gab es Filme, die mir wirklich den Blick geöffnet haben und mir gezeigt haben, was Filme sein können. Mein Traum ist, dass irgendwo da draußen jemand ist, der den Film sieht und erkennt, dass Filme anders sein können.
Du denkst also, dass Kunst, insbesondere Filme andere inspirieren kann?
Absolut! Ich weiß nicht, was wir ohne Filme und Musik tun würden. Wir brauchen sie, sie sind eine Lebenskraft für uns.
Und wie geht es im Anschluss für dich weiter? An welchen Projekten arbeitest du?
Da sind ein paar Projekte, über die ich nachdenke. Was ich vermutlich als nächstes machen möchte, ist ein psychologischer Horrorfilm, also etwas ganz anderes als O’Dessa. Da ist auch etwas Musik drin, aber sehr viel weniger. Es wird kein Musical werden. Und es wird düsterer und verrückter werden. Aber ich bin noch ganz am Anfang und schreibe am Drehbuch.
Vielen Dank für das Interview!
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