Handbuch einer Anstandsdame – Staffel 1

Madrid in den 1880ern: Mit der Liebe kennt sich Elena Bianda (Nadia de Santiago) aus, zumindest aus zweiter Hand. Schließlich hat sie als Anstandsdame schon so manch junges Glück ermöglicht. Darauf baut auch Pedro Mencia (Tristán Ulloa), als er die Anstandsdame engagiert, damit die sich seiner drei Töchter Cristina (Isa Montalbán), Sara (Zoe Bonafonte) und Carlota (Iratxe Emparán) annimmt. Sich gleich um drei kümmern zu müssen, ist dabei selbst für jemanden wie Elena mit ihrer langjährigen Erfahrung eine Herausforderung. Mit ihrer Mischung aus Strenge und Einfühlungsvermögen wird sie aber das Kind schon schaukeln. Dachte sie zumindest. Tatsächlich wird die Anstellung aber recht schwierig. Zwar fühlen sie die drei ihr schnell verbunden. Doch da muss so manches Hindernis überwunden werden, Elena muss sich zudem mit ihrem eigenen Leben auseinandersetzen, das nicht ganz so geordnet ist, wie es nach außen hin erscheint …

Zeit für Gefühle

Zum Monatsausklang scheint Netflix ein Herz für Zuschauer und Zuschauerinnen zu haben, die es etwas gefühlvoller mögen. So kamen am selben Tag gleich zwei Titel heraus, bei denen es irgendwie um die Liebe und Familienverhältnisse geht. Da ist auf der einen Seite der Film Morgen kommt ein neuer Himmel, der auf dem gleichnamigen Roman basiert und von einer Frau erzählt, die auf Wunsch ihrer verstorbenen Mutter eine To-Do-Liste aus ihrer Jugend aufarbeitet. Bei Handbuch einer Anstandsdame geht es ebenfalls darum, dass sich Protagonistinnen irgendwie in der Welt zurechtfinden müssen und die Frage, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Und dafür braucht es unter anderem eben die große Liebe, ohne die irgendwie alles so klein und unbedeutend erscheint.

Ungewöhnlich ist dabei, dass die Sinnsuchenden aber nicht im Mittelpunkt stehen. Stattdessen ist die Heldin diejenige, die anderen zum Liebesglück verhelfen soll. Ein bisschen erinnert das an Emma., wo eine selbsternannte Meisterkupplerin romantische Schützenhilfe geben will. Elena ist dabei aber die deutlich kompetentere, zudem weniger übergriffig als ihre bekannte Romankollegin. Schließlich ist sie es gewohnt, in der zweiten Reihe zu stehen. Solche Blicke auf Bedienstete bieten sich eigentlich immer an, etwas über Klassenunterschiede zu sagen, Hierarchien zu untersuchen. Bei Handbuch einer Anstandsdame hat man daran aber kein Interesse, das hier ist kein Gosford Park. Wobei es aber schon das eine oder andere ernste Thema gibt, beispielsweise Diskriminierung. Aber das wird eher am Rande behandelt, als ein Element unter vielen.

Nette Zerstreuung

Ansonsten steht die Unterhaltung an erster Stelle. Das bedeutet auch Humor, immer wieder wird es auf die eine oder andere Weise lustig. Die Möglichkeiten reichen dabei von amourösen Verwicklungen über chaotische oder peinliche Situationen bis zu dem gelegentlichen Durchbrechen der vierten Wand. Handbuch einer Anstandsdame setzt dabei eher auf Ironie als auf Biss. Das ist alles doch nett und fluffig, richtet sich an ein Publikum, das Bridgerton und Konsorten gern anschaut. Also etwas, was sich gut nebenher konsumieren lässt, wenn man ein wenig Zerstreuung sucht. Mehr als das sollte man nicht erwarten, weder im Hinblick auf die Witze noch die Handlung. Nennenswerte Lebensweisheiten gibt es da nicht.

Dafür ist das alles hübsch anzusehen. Es gibt eine attraktive Besetzung, luxuriöse Häuser, weitläufige Naturlandschaften, dazu schicke Kleider. Die Zielgruppe, die sich solche Liebesgeschichten im historischen Setting gern anschaut, wird in der Hinsicht also auf jeden Fall bedient. Da Hauptdarstellerin Nadia de Santiago (Die Zeit, die ich dir widme) zudem sympathisch auftritt und auch sonst niemand dabei, über den man sich ärgern müsste, ist Handbuch einer Anstandsdame eine ganz angenehme Serie geworden, die am Ende danach schreit, fortgesetzt zu werden. Ob es das unbedingt braucht, darüber kann man sich streiten. Die spanische Produktion ist aber sicher eine der sehenswerteren Liebesgeschichten des Streamingdiensts in der letzten Zeit.