Ich will alles Hildegard Knef
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Ich will alles. Hildegard Knef

Ich will alles Hildegard Knef
„Ich will alles. Hildegard Knef“ // Deutschland-Start: 3. April 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Es gibt nicht viele deutsche Diven. Neben der alle überstrahlenden Marlene Dietrich (1901–1992), deren Leben in zig Biografien, mehrere Theaterstücke und Dokumentarfilme, einen Spielfilm unter der Regie von Joseph Vilsmaier (1939–2020) und in gleich zwei Graphic Novels Eingang gefunden hat, zählt zweifelsohne Hildegard Knef (1925–2002) dazu. Wie die Dietrich schaffte es auch die Knef über den Großen Teich. Nach dem internationalen Erfolg von Wolfgang Staudtes (1906–1984) Trümmerfilm Die Mörder sind unter uns (1946) unterschrieb sie einen Vertrag mit dem Hollywoodproduzenten David O. Selznick (1902–1965), drehte Filme unter so bekannten Regisseuren wie Anatole Litvak (1902–1974), Henry Hathaway (1898–1985) und Carol Reed (1906–1976) und feierte in Cole Porters (1891–1964) Musical Silk Stockings Erfolge am New Yorker Broadway.

Später trieb sie in enger Partnerschaft mit ihrem zweiten Ehemann, dem britischen Schauspieler David Cameron (1933–2012), ihre zweite Karriere als Sängerin und Autorin voran. Hildegard Knef war zeitlebens aber auch immer für eine Schlagzeile gut. Ihre Nacktszene in Willi Forsts (1903–1980) Nachkriegsfilm Die Sünderin (1951) löste einen Skandal aus, ihr Buch über ihre Brustkrebserkrankung brach ein Tabu. Und wie die Dietrich wurde auch die Knef nach ihrem Tod mit einem Biopic bedacht. Heike Makatsch verkörperte sie 2006 in Kai Wessels Film Hilde.

Zeitlose (Über-)Lebenskünstlerin

Dass es eine Schauspielerin zur Diva gebracht hat, lässt sich daran ablesen, wie in der Öffentlichkeit über sie gesprochen wird. Wahre Diven verlieren ihre Vornamen und werden stattdessen mit einem direkten Artikel adressiert. Fortan ist nicht mehr von Greta Garbo, sondern nur noch von „der“ Garbo oder gar gleich und in direkter Übersetzung des lateinischen Wortstamms von „der Göttlichen“ die Rede. Marlene Dietrich ist folgerichtig „die“ Dietrich und Hildegard Knef „die“ Knef. Wobei es sich bei dem 1925 in Ulm geborenen und in Berlin aufgewachsenen Multitalent ein wenig anders verhält.

Wie Marlene Dietrich feierte auch Hildegard Knef Erfolge als Schauspielerin und Sängerin, schaffte es nach Hollywood, galt als Stilikone und wurde in Deutschland nicht nur vergöttert, sondern phasenweise auch verteufelt. Im Gegensatz zur Dietrich blieb die Knef aber zeitlebens nahbarer, was die vielen über die Jahrzehnte entstandenen Interviews veranschaulichen, die die Regisseurin Luzia Schmid für ihren Dokumentarfilm als diesen unterfütterndes Archivmaterial zusammengetragen hat.

Wenn es nicht nur rote Rosen regnet

In den vornehmlich von Journalisten vor Fernsehkameras geführten Gesprächen zeigt sich Hildegard Knef stets souverän und gleichzeitig doch frank und frei. So sehr sie ihre Worte auch abwägt und dank ihrer Eloquenz ein ums andere Mal druckfähige Gedanken zu Protokoll gibt, sie macht auch nie einen Hehl um die Rückschläge, Misserfolge, Fehlentscheidungen und Abstürze in ihrer Karriere. In diesen Interviews sieht man ihr förmlich beim Reflektieren zu, und in diesem Nachdenken über das eigene Leben schwingt stets eine große Nachdenklichkeit mit, durch die die eigene Verletzlichkeit durchscheint.

Knef geht dabei übrigens nicht nur hart mit sich selbst, sondern auch mit der Branche ins Gericht, die Frauen das Altern in aller Öffentlichkeit nicht zugestehe, sondern eine „Zeitlosigkeit“, wie Knef es nennt, abverlange. Weshalb sich Hildegard Knef noch im fortgeschrittenen Alter unters Messer legte, was selbstredend ein gefundenes Fressen für die Boulevardblätter war. Auch diese ungesunde Symbiose zur Presse spricht Knef klipp und klar an. Für die einen mag dieses Verhalten Distanz schaffen, andere werden Menschlichkeit darin erkennen. Was wiederum erklärt, warum dieser große deutsche Star für die einen nur „die“ Knef war und für die anderen immer Hilde blieb.

Hilde Talks!

Luzia Schmids Dokumentarfilm, der im Panorama der 75. Berlinale Weltpremiere feierte, kommt passend zu einem runden Geburtstag in die Kinos. In diesem Dezember wäre Hildegard Knef 100 Jahre alt geworden. Manch einer mag sich die Frage stellen, ob es eines weiteren Werks über das Leben und Wirken dieser Künstlerin bedurft hätte. Schließlich hat Knef ihr eigenes Leben in Der geschenkte Gaul (1970) und weiteren autobiografisch gefärbten Büchern noch zu Lebzeiten aus allen erdenklichen Winkeln ausgeleuchtet. Die Antwort darauf lautet: „Ja, unbedingt!“ Denn zum einen bringt Schmids Film diese beeindruckende Künstlerin, die nicht nur eine Lebenskünstlerin, sondern auch eine Überlebenskünstlerin war, einem neuen, jungen Publikum nahe. Und zum anderen werden selbst Knef-Kenner noch neue Facetten entdecken.

Das Schönste an diesem Film ist freilich die Form. Denn bis auf zwei Ausnahmen – zum einen Hildegard Knefs Tochter Christina Palastanga, zum anderen ihr letzter Ehemann Paul von Schell, der zudem erst 20 Minuten vor Filmende erstmals in Erscheinung tritt – kommt darin ausschließlich die Künstlerin selbst zu Wort. Dafür hat Schmid das aussagekräftige Archivmaterial mit einem Off-Kommentar unterlegt, in dem die Schauspielerin Nina Kunzendorf Passagen aus Knefs Büchern vorträgt. Im Zusammenspiel ergibt sich eine dokumentarische Biografie über eine Künstlerin, die nach wie vor zeitlos erscheint.



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Ich will alles. Hildegard Knef
fazit
Im Dezember 2025 wäre Hildegard Knef 100 Jahre alt geworden. Anlässlich des runden Geburtstags kommt der Dokumentarfilm „Ich will alles“ der Regisseurin Luzia Schmid in die Kinos. Aber braucht es wirklich noch einen weiteren Film über die bekannte deutsche Schauspielerin und Sängerin? Ja, unbedingt! Schmids Film dokumentiert ein bewegtes Leben, in dem es nicht nur roten Rosen regnete und macht eine ohnehin schon nahbare Diva noch ein bisschen nahbarer.
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