
Die Freude ist groß bei Matilda (Hiba Ahmed), als sie ihre erste Rolle in einem Film bekommt! Da sie aber noch ein Kind ist, braucht es natürlich einen Erziehungsberechtigten, der sie begleitet. Ihr Vater Ben (Shazad Latif) bietet sich dafür an, zumal er mit seinem Buch eh nicht vorankommt und ein bisschen Abwechslung gut gebrauchen kann. Da trifft es sich doch gut, dass Marilda an der Seite der bekannten Schauspielerin Alicia (Matilda Lutz) auftritt, die ein bisschen Glamour in sein Leben bringt. Tatsächlich lernen sich die beiden kennen und kommen sich mit der Zeit näher. Währenddessen bleibt Bens Frau Anette (Daisy Ridley) nichts anderes übrig, als zu Hause zu bleiben, um sich um das neugeborene Baby zu kümmern. Glücklich ist sie darüber nicht. Vielmehr wächst in ihr der Unmut über die Situation, zumal in ihr die Gewissheit wächst, dass ihr Mann ihr über kurz oder lang untreu wird …
Das Innenleben eines kaputten Paares
Wenn in Filmen Leute aufs Land ziehen, dann bedeutet das sehr oft Ärger, insbesondere wenn es ein altes, großes Haus ist. Gerade das Horrorgenre ist voll von Beispielen, bei denen ein Landhaus zum Ort des Schreckens wird und irgendwelche Geister, Dämonen oder uralte Fabelwesen ihr Unwesen treiben. Bei Thrillern setzt man unter anderem auf das Home-Invasion-Prinzip, wenn die Figuren schutzlos Eindringlingen ausgeliefert sind. Magpie spielt mit diesen Mitteln, wenn erneut ein Ehepaar das Heil in der Provinz sucht. Der Film wird auch oft als Thriller verkauft, wenn die Geschichte eine dunkle Wendung nimmt. Und doch ist der Film nur bedingt mit naheliegenden Vorbildern zu vergleichen, wenn es rein thematisch um etwas ganz anderes geht.
Theoretisch gibt es hier zwar schon eine Bedrohung von außen in Gestalt der begehrten Schauspielerin, die einen immer größeren Anteil im Leben der Familie nimmt. Das eigentliche Problem ist aber die Familie selbst, genauer die Beziehung des Paares. Die war schon vor dem Umzug wohl nicht die beste. Maßgeblich Schuld daran hat Ben, der keine Lust hat auf die Pflichten, die mit einem Familienleben einhergehen. Immer wieder lässt er seine Frau im Stich, fuhr beispielsweise einige Monate weg und ließ Anette allein. Magpie stellt ein dysfunktionales Paar vor, dessen Brüche mit der Zeit immer größer werden. Die Begegnung mit Alicia ist nicht die Ursache für die Spannungen, sondern vielmehr die Konsequenz aus den Problemen der beiden, das Symptom für die Schieflage.
Die Grenzen des Alptraums
Das klingt dann mehr nach einem Ehedrama als einem Thriller. Ganz so eindeutig ist die Sache dann aber doch nicht. So hat Drehbuchautor Tom Bateman, der mit Daisy Ridley verheiratet ist und selbst in Filmen wie Mord im Orient-Express vor der Kamera stand, diverse Genre-Elemente eingebaut. Anette ist nicht einfach nur die unglückliche Ehefrau, sondern offensichtlich auch labil. Zunehmend verliert sie sich in irgendwelchen Vorstellungen, die Grenzen zwischen Realität und Imagination verschwimmen. Das tun sie bei beiden Hauptfiguren. Doch während das für ihn mit einem Lustgefühl verbunden ist, einer Befreiung, da wachsen in ihr Wut und Angst vor dem Kontrollverlust. Magpie arbeitet dabei auch mit einer sehr unheimlichen Atmosphäre, die fast schon in Richtung Horror geht.
Man sollte dennoch nicht erwarten, dass der Film, der 2024 beim South by Southwest Festival Premiere hatte, im Hinblick auf die Handlung sehr viel zu bieten hat. Das hier ist kein Psychothriller, wo eine Figur eine andere terrorisiert, im Sinn von Eine verhängnisvolle Affäre etwa. Der Alptraum findet in den Köpfen statt. Insofern dürfte es nicht wenige geben, die von dem Ergebnis frustriert sind, vielleicht auch gelangweilt. Man muss sich schon auf dieses Thema einlassen können, auf die Zwischentöne auch, wenn manches nicht ausgesprochen wird. Dafür wird man in Magpie von den schauspielerischen Leistungen belohnt. Gerade Daisy Ridley darf als auseinanderbrechende Ehefrau ihre Klasse beweisen.
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