
Es läuft nicht so wirklich bei Kathi Grabowski (Jördis Triebel). So bekommt die Autorin kaum noch Aufträge, weshalb die Kasse knapp geworden ist. Zudem setzt ihr die ungewollte Trennung ziemlich zu. Und dann ist da noch Tochter Lilly (Maja Bons), die ihr das Leben schwermacht. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als etwas Neues zu versuchen, um so wieder auf die Beine zu kommen. Und dafür muss sie sich um Füße kümmern, sie heuert als Fußpflegerin in der „Beauty Oase Marzahn“ und arbeitet mit ihrer Chefin Jenny Chan (Yvonne Yung Hee Bormann) und Kollegin Lulu Moll (Deborah Kaufmann) zusammen. Ganz einfach ist es dort auch aber auch nicht. Nicht nur, dass der Laden selbst in einer Krise steckt, dringend mehr Einnahmen gebraucht werden. Und dann wären da noch die Kunden und Kundinnen, die ziemlich eigen und fordernd sein können …
Das neue Leben zu Füßen anderer
Eine Autorin beginnt eine Dienstleisterstelle in einem weniger beachteten Bereich? Das klingt nach einer Recherchearbeit für ein neues Buch. Wie im echten Leben etwa erzählte vor ein paar Jahren, wie eine Autorin als Putzfrau arbeitet, um Material zu suchen, wobei niemand von den Kolleginnen wissen durfte, dass sie eigentlich keine Kollegin ist. Bei La Maison – Haus der Lust will eine Autorin ein Buch über Sexarbeiterinnen schreiben und wird zu dem Zweck selbst zu einer. Bei Marzahn Mon Amour ist das weniger zielgerichtet, die Idee eher etwas aus der Not heraus geboren, weil die Protagonistin mit ihrem bisherigen Leben nicht weiterkommt. Aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass alles schlecht sein muss. Zumindest für das Publikum daheim ist die Umschulung ein echter Gewinn.
Dabei geht es in der Adaption von Katja Oskamps gleichnamigen autofiktionalen Roman gar nicht so sehr um die Tätigkeit als solche. Während kürzlich etwa Heldin dem Publikum einiges über den Pflegeberuf in einem Krankenhaus zu sagen hatte, spielt es eigentlich keine wirkliche Rolle, dass die drei Frauen sich um die Füße anderer kümmern. Zwar hat es eine gewisse Symbolik, zu den Füßen anderer zu sitzen. Um Klassenunterschiede oder ähnliches geht es aber nicht. Andere gesellschaftliche Themen kommen in Marzahn Mon Amour aber durchaus vor. Beispielsweise wird die DDR angesprochen, wenn sich die ältere Kundschaft an früher zurückerinnert. Es geht auch um die Veränderungen in dem bekannten Berliner Viertel, das Jahrzehnte nach dem Mauerfall noch immer nicht ganz weiß, wohin die Reise gehen soll.
Leise Alltagsbeobachtungen
Die ARD-Produktion versucht dabei aber gar nicht so sehr, irgendwelche konkreten Aussagen zu treffen. Hier gibt es keine Gesellschaftskritik, keine moralischen Ausführungen. Vielmehr beschränkt sie sich auf das Beobachten. Der Fokus wechselt dabei mehrfach im Lauf der sechs Folgen. Mal stehen in Marzahn Mon Amour die drei Frauen im Vordergrund, die in dem Salon von einem besseren Leben träumen, während um sie herum alles den Bach runtergeht. Man nimmt sich aber gerade auch für die Kunden und Kundinnen viel Zeit. Die werden regelmäßig ausgetauscht, dürfen ihre Geschichten erzählen. Groß sind diese nicht. Vielmehr tauchen wir ein in den Alltag von Menschen, die ebenso durchs Leben stolpern, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Menschen, die gescheitert sind oder zu kämpfen haben, sich nach etwas Aufmerksamkeit sehnen, während sie sonst oft unsichtbar sind.
Die Serie schwankt dabei zwischen Drama und Komödie. Manchmal ist das etwas überzeichnet, gerade bei den Figuren, die etwas schräger sein dürfen. Gleichzeitig zeichnet sich das hier aber durch die Alltäglichkeit aus. Das Gefühl, dass wir hier mitten unter Menschen sind, die wirklich nebenan wohnen könnten. Marzahn Mon Amour richtet sich damit an ein Publikum, das solche Alltagsbeobachtungen und bewusst kleine Geschichten mag. Das große Drama sollte man dabei ebenso wenig erwarten wie ausgefeilte Gags. Das ist alles ganz leise und zurückhaltend, kann dennoch zu Herzen gehen, wenn das hier auch eine Liebeserklärung an die Menschen im Plattenbau ist.
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