
Heutzutage dürfte der Name Picha eher wenigen Leuten etwas sagen. Zumindest historisch interessierte Animationsfans könnten den Belgier aber kennen, der vor einigen Jahrzehnten mit Zeichentrickfilmen für Erwachsene von sich reden machte. Bekannt wurde er 1975 durch Tarzoon – Schande des Dschungels, eine erotische Parodie auf Tarzan. 1980 folgte Das fehlende Glied, eine alternative Evolutionsgeschichte mit viel Sex und Gewalt, die sogar in Cannes lief. 1987 wandte er sich mit Der große Knall dem Science-Fiction-Genre zu, angereichert – wie sollte es auch anders sein? – durch viel nackte Haut. Anschließend zog er sich aus dem Filmgeschäft zurück, erst zwanzig Jahre später versuchte er mit Snow White: The Sequel ein Comeback. Der Erfolg blieb aber aus, sein vierter Langfilm war zugleich sein letzter.
Reise in die Vergangenheit
Picha, envers et contre tout, ein Dokumentarfilm, der dem Satiriker gewidmet ist, macht daraus kein Geheimnis. Das Scheitern des parodistischen Märchens wird auch als Zeichen dafür genommen, dass sich die Zeiten geändert hatten, das Merkmal von Picha einfach nicht mehr ausreichte, um ein Publikum anzusprechen. Damit unterscheidet sich das Werk von vielen anderen biografischen Dokus, bei denen man das Gefühl hat, sie seien in erster Linie als Huldigung gedreht worden, weniger als wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Das würde aber auch nicht bei einem Mann passen, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, andere durch den Kakao zu ziehen und die Menschen vor den Kopf zu stoßen.
Wobei Regisseur Luc Jabon natürlich aber auch Positives über den Regisseur zu sagen hat. So nimmt er uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und stellt Picha im zeitlichen Kontext vor, da er einer der Pioniere war, wenn es um erwachsene Zeichentrickfilme geht. Gerade Fritz the Cat, der 1972 veröffentlichte Kultfilm, wird als Referenz genutzt. Das ist verständlich, der erste Animationsfilm, der das gefürchtete X-Rating in den USA erhielt, ist noch etwas stärker in Erinnerung geblieben. Dennoch ist es ganz interessant, wenn Picha, envers et contre tout uns mehr über die damalige Zeit verrät. Die Werke des Belgiers waren eben auch Ausdruck der Gesellschaft und der damaligen Moralvorstellungen. Subtil waren sie ebenso wenig wie feinsinnig, der derbe Humor ist sicherlich Geschmackssache.
Gewöhnlich, aber sehenswert
Aber um eine Wertung der Filme geht es hier natürlich auch nicht. Der Dokumentarfilm, der auf dem Anima Festival 2025 lief, behandelt lieber den Werdegang. Zu dem Zweck lässt Jabon eine Reihe weiterer Leute zu Wort kommen, die entweder mit Picha zusammenarbeiteten oder aus dem Animationsumfeld kommen. Man bleibt also etwas unter sich, was bei dem Thema aber weder verwundert noch stört. Picha, envers et contre tout ist bei der Umsetzung leider sehr viel weniger konfrontativ und eigen als der Porträtierte. Vielmehr ist das hier im Grunde nicht mehr als die übliche Dokukost. Ein Interesse für den Regisseur oder eben die Historie des Animationsfilms vorausgesetzt, ist das hier aber durchaus sehenswert.
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