Revelations

Min-chan (Jun-yeol Ryu) ist Pfarrer einer kleinen Gemeinde, fühlt sich dabei aber zu deutlich mehr berufen. So hofft er darauf, bei einer großen Kirche anfangen zu können. Bis es so weit ist, hat er jedoch privat einiges um die Ohren. Nicht nur, dass seine Frau ihn betrügt. Sein Sohn ist zudem verschwunden. Min-chan hat auch schon eine Idee, was geschehen sein könnte: Er vermutet, dass Yang-rae (Min-jae Shin) dahintersteckt, ein verurteilter Vergewaltiger, der in seiner Kirche herumgelungert ist. Da die Polizei ihm nicht helfen will, fühlt sich der Geistliche dazu auserkoren, selbst für Ordnung zu sorgen. Zur gleichen Zeit verfolgt auch die Polizistin Yeon-hee (Hyeon-bin Shin) eine Mission, sucht sie doch eine vermisste Jugendliche. Dabei ist es nicht allein ihre berufliche Verpflichtung, die sie antreibt. Vielmehr wird sie von ihrer Vergangenheit und einem traumatischen Ereignis verfolgt …

Blick in die Abgründe

Diese Woche führte so mancher neuer Titel auf Netflix wieder tief in die menschlichen Abgründe. Wobei der Streamingdienst den Blick teils mit Humor aufgelockert hat. Das zeigt sich besonders bei der Serie The Residence, wo eine exzentrische Polizistin im Weißen Haus einen Mord aufklären muss und dabei auf lauter schräge Leute trifft. Klein-Sibirien geht da nicht ganz so weit, wenn Komödie, Drama und Krimi miteinander verbunden werden. Die Romanadaption um ein finnisches Dorf, in dem ein Meteorit Begehrlichkeiten weckt, lädt aber auch zum einen oder anderen Schmunzeln ein. Beim südkoreanischen Film Revelations wird das wohl niemand tun. Hier werden die Abgründe nicht nur gezeigt. Man sucht sie, buddelt so lange darin herum, bis nichts anderes mehr zu sehen ist.

Bei Sang-ho Yeon, der hier seinen eigenen Comic adaptiert, ist das nicht verwunderlich. Zumindest in seiner Frühphase hat der Regisseur, der durch Train to Busan weltberühmt wurde, sich mit sehr düsteren Themen beschäftigt. Gerade The Fake, sein 2013 veröffentlichter Animationsfilm, bietet sich aufgrund der religiösen Thematik als Vergleich an. Doch während das damals ein Drama war, ist Revelations ein Thriller, der primär Spannung erzeugen möchte. Das geschieht auch durch die Entführung der Jugendlichen, die gerettet werden muss. Das ist ein typisches Motiv dieses Genres, wird hier aber wenig typisch umgesetzt. So ist der Film sehr viel weniger geradlinig, die Suche nach dem Mädchen ist zwar der Aufhänger, oft aber gar nicht das Thema der Geschichte, rückt zwischendurch in den Hintergrund.

Verloren im Wahn

Stattdessen geht es um die Psyche der beiden Hauptfiguren, die jeweils auf ihre Weise angeknackst ist. Während der Geistliche überall die Manifestation des Göttlichen sieht, wird die Polizistin von ihrer toten Schwester verfolgt. Beide verlieren also den Bezug zur Realität, verlieren sich in irgendwelchen Wahnvorstellungen. Revelations geht da schon in Richtung Psychodrama. Subtil ist das Ganze nicht, das erwartet man inzwischen bei Yeon aber auch schon nicht mehr. Dabei gibt es aber immer wieder beeindruckende Szenen, der Film wird zu einem Trip, der durchaus auch schon mal surreal werden kann. Vergleichbar zu den beiden Hauptfiguren verliert sich das Publikum in dem Geschehen, weiß zwischenzeitlich nicht mehr, wohin das überhaupt geht.

Nur wird das dann doch etwas zu exzessiv alles. Der Film kommt nicht vom Fleck, ist oft unnötig konstruiert und umständlich. Darunter leidet dann auch die Spannung, die nicht durchgängig hoch ist, zumindest nicht so hoch, wie man sich das wünschen würde. Revelations wird dann eher anstrengend als aufregend. Eine Bereicherung für das Sortiment ist der südkoreanische Thriller sicherlich, wenn man eben Lust darauf hat, sich in diese Abgründe zu stürzen. Aber es gab schon packendere Werke. Die Wahrscheinlichkeit, dass Yeon hiermit sein Comeback feiert und zu altem Ruhm zurückfindet, ist doch eher unwahrscheinlich.