
Nur noch wenige Tage sind es, dann steht für Klaus Borowski (Axel Milberg) die Pensionierung an. Als er beim Bürgeramt einen Reisepass beantragen möchte, sieht er das Foto eines Hauses, das er noch aus seiner Kindheit kennt und das er damals als furchterregend empfand. Auch wenn er keinen rationalen Grund dafür nennen kann, beunruhigt ihn dieser Anblick so sehr, dass er beschließt, dort einmal vorbeizugehen, und bekommt prompt Ärger mit der Polizei. Dabei stellt er fest, dass das Haus leer steht. Normalerweise würden darin eine ältere Frau und ihr erwachsener Sohn leben. Aktuell sind sie aber weg, wohl auf Reise. Oder etwa nicht? Tatsächlich hat Robert Frost (August Diehl) seine herrische Mutter Eleonore (Corinna Kirchhoff), unter der er sein Leben lang gelitten hat, kürzlich ermordet. Borowski und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) ermitteln auf eigene Faust und erfahren, dass es in dem Bürgeramt, wo Frost als IT-Spezialist gearbeitet hat, zwei Menschen gestorben sind …
Abschied des beliebten Kommissars
Weiter geht es mit dem Tatort. Vergangene Woche musste sich das Team aus Köln in Colonius auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, ein aktueller Mord an einem Fotografen führte in die Technoszene der 1990er. Beim Münchner Beitrag Charlie ging es vielmehr um die Zukunft, dort wurde eine NATO-Übung für den hypothetischen Kriegsfall zum Hintergrund eines sehr realen Verbrechens. Bei Borowski und das Haupt der Medusa spielt der Faktor Zeit ebenfalls eine größere Rolle. Genauer gibt es eine Menge Zeitdruck, wenn dem Kieler Hauptkommissar nur noch wenige Tage bis zur Pensionierung bleiben und er vorher einen mehrfachen Mörder schnappen muss. Dass der Film der letzte Auftritt des Polizisten sein würde, war lange bekannt. Dafür dachte man sich auch etwas Besonderes aus – inklusive eines Endes, das bewusst der Presse vorenthalten wurde, damit auch ja niemand quatscht.
Es gibt aber auch davor im 1296. Teil der ARD-Krimireihe eine Menge, worüber man ausgiebig sprechen kann. Zum Beispiel handelt es sich bei der Abschiedsvorstellung nicht um den klassischen Whodunit, bei dem herausgefunden werden muss, wer das Verbrechen begangen hat. Tatsächlich wird dieses sogar gezeigt, die Geschichte beginnt quasi damit. Später wird sich zwar herausstellen, dass der Mörder nicht nur einmal tätig war. Zu rätseln gibt es dabei aber praktisch nichts. Vielmehr wandelt Tatort: Borowski und das Haupt der Medusa auf Thrillerpfaden, wenn der Kommissar und seine Kollegin den Serienmörder schnappen müssen, bevor er noch mehr Unheil ausrichtet. Der Kampf ist dabei ungleicher Natur, da der Killer ein Mann ist, der mit anderen Menschen nicht gut klarkommt, mit Computern dafür umso mehr. Der eher analog ausgerichtete Borowski tritt gegen ein IT-Genie an, was nicht unbedingt ein Duell auf Augenhöhe ist.
Surreal, abgründig, aber nicht sehr spannend
Glaubwürdigkeit sollte man dabei nicht erwarten. Wenn der Antagonist quasi im Alleingang ganze Abteilungen lahmlegt, ist das schon ein wenig überzogen. Auch bei der Handlung sollte man die eigenen Erwartungen herunterschrauben. Die Art und Weise, wie Tatort: Borowski und das Haupt der Medusa den obligatorischen Showdown einleitet, ist ebenso plötzlich wie grotesk. Wer sich einen normalen Krimi erhofft, wird davon kaum befriedigt sein. Nur wollte man hiermit eben keinen normalen Krimi machen, sondern fabrizierte einen Genrebeitrag, der bewusst bizarr ist und dabei auch schon mal ins Alptraumhafte gehen kann. Da sich ganz viele Figuren auch komisch verhalten, kann man sich nicht einmal sicher sein, ob das hier überhaupt ein reales Geschehen ist oder nicht doch ein Traum.
Atmosphärisch ist das durchaus gelungen. Von Anfang an herrscht eine wohlig-angespannte Stimmung, abgründig, surreal. Und alptraumhaft, das würde durchaus auch als Horrorfilm durchgehen. Zugleich ist das skurril und ein wenig melancholisch, wenn sich der Kommissar mit dem eigenen beruflichen Ende befassen muss. Das ist dann schon alles sehenswert. Nur, so richtig spannend ist Tatort: Borowski und das Haupt der Medusa nicht. Auch wenn prinzipiell Menschenleben auf dem Spiel stehen und unklar ist, wie weit der flüchtige Mörder noch gehen wird in seinem Kampf gegen die Menschheit, entsteht daraus weniger ein Gefühl der Bedrohung. Dafür ist das dann eben doch zu unwirklich und letztendlich auch handlungsarm, da tut sich nicht so viel. Als Abschied nach über 20 Fernseh-Dienstjahren ist das jedoch Pflichtprogramm und mal etwas anderes.
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