
Als in einem derangierten Militärfahrzeug die Leiche einer Frau gefunden wird, steht die Polizei vor einem Rätsel. Nicht nur, dass unklar ist, wer diese denn getötet hat. Es steht nicht einmal fest, wer diese Tote überhaupt ist. Als Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) bei der nahegelegenen Army Base nachfragen, bestätigt sich zwar der Verdacht, dass der Wagen von dort stammt. Niemand will aber zunächst die Frau kennen, keine der Soldatinnen wird vermisst. Erst später stellt sich heraus, dass sie für ein NATO-Übungsmanöver als Komparsin engagiert wurde. Dabei drängt die Zeit. Nicht nur, dass das Manöver bald abgeschlossen sein wird. Es findet sich zudem eine zweite Leiche …
Es werde Krieg
Beim Tatort gibt es notgedrungen ein recht breites Angebot an Themen, Settings und Tonalitäten, wenn jede Woche das Team ausgetauscht wird. Über mangelnde Abwechslung kann man sich daher normalerweise nicht beschweren. Da ging es zuletzt in Das Ende der Nacht um den Überfall auf einen Geldtransporter, verbunden mit einem persönlichen Familiendrama. Herz der Dunkelheit befasste sich mit einem dysfunktionalen Freundeskreis, als es bei einer Abiklasse zu einem frühen Tod kommt. Umso überraschender ist, dass man sich bei der Planung nicht daran störte, dass in direkter Folge gleich zwei Episoden ausgestrahlt werden, bei dem es um das Thema Krieg geht. Vier Leben warf ein Schlaglicht auf den unrühmlichen Abgang Deutschlands beim Afghanistankrieg. Und auch bei Charlie geht es um einen Kriegseinsatz.
Zunächst geht es dabei erst einmal um die Simulation eines Krieges, wenn die NATO sich für den Ernstfall rüstet. Ob das Thema in der derzeitigen Situation, wenn die NATO durch die USA zu zerbrechen droht, besonders passend oder besonders unpassend ist, darüber lässt sich streiten. Das Anschauen dürfte für viele zumindest mit einem eigenartigen Gefühl verbunden sein. Der 1294. Film des ARD-Dauerbrenners ist auf einmal überraschend aktuell. Teilweise geht es dann auch um Themen, welche die Menschen derzeit beschäftigen. Da wird über das Militär diskutiert, dessen Aufgaben, die Bedeutung. Das sind dann nicht unbedingt immer sehr natürliche Dialoge, ein bisschen unbeholfen ist der Teil schon. Zusammen mit dem originellen Setting einer Kriegssimulation kann man aber zumindest nicht behaupten, dass Tatort: Charlie austauschbar ist – bei der Flut an neuen Krimis keine Selbstverständlichkeit.
Zwischen Simulation und Trauma
Wobei der Krimipart gar nicht mal so wahnsinnig interessant ist. Immer wieder rückt er in den Hintergrund, wenn sich der Film lieber um andere Punkte kümmert. Da wäre zum einen die Inszenierung des Kriegs, wenn die Männer und Frauen so tun als ob und man als Zuschauer bzw. Zuschauerin gar nicht auf den ersten Blick sagen kann, was jetzt echt ist und was nicht. Das ist schon erstaunlich aufwendig gestaltet, hat mehr für die Augen zu bieten, als man es von den Sonntagabend-Produktionen gewohnt ist. Die Ermittlungen können bei Tatort: Charlie nicht mithalten, auch wenn der Undercover-Einsatz als Pseudo-Komparse schon irgendwie witzig ist und die Routine unterbricht.
Stärker sind dabei die persönlichen Geschichten, die damit verbunden sind. So wird etwas unerwartet der simulierte Krieg mit einem echten verknüpft, wenn sich eine Komparsin an die Jugoslawien-Kriege zurückerinnert. Der Schrecken von damals vermischt sich mit neuen Erfahrungen, auch dabei werden Grenzen aufgelöst. Das darf einem dann auch zu Herzen gehen, wenn der Film auf einmal klarmacht, was das für uns eher fremde Konzept Krieg wirklich bedeutet. So richtig viel Spannung hat der Krimi zwar nicht zu bieten, da gibt es schon Besseres. Tatort: Charlie ist aber zumindest einen Blick wert, wenn Tristesse auf Trauma trifft und am Ende doch das eine oder andere zurückbleibt.
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