Asphalt Cowboy
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Asphalt-Cowboy

Asphalt Cowboy
„Asphalt-Cowboy“ // Deutschland-Start: 18. Juli 1969 (Kino) // 6. Juni 2019 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Der 28-jährige Joe Buck (Jon Voight) hat seine Arbeit als Tellerwäscher in einem Imbiss satt und packt eine Tages seine Koffer, um in New York sein Glück als Callboy zu versuchen. Die Frauen im Osten brauchen jemanden wie ihn, erzählt er freudestrahlend und selbstsicher, und so macht er sich in seiner Cowboy-Kluft auf in die Metropole. Dort ist das Leben jedoch ganz anders, als es sich Joe vorgestellt hat, denn niemand, schon keine der reichen Frauen, will etwas von ihm wissen und schon nach kurzer Zeit wird sein Geld knapp. Zudem wird er noch von Rico Rizzo (Dustin Hoffman), einem Trickbetrüger, übers Ohr gehauen, aber durch einen Zufall begegnen sich die beiden nach ein paar Tagen wieder.

Da Rico, der wegen seiner Art von allen nur „Ratso“ genannt wird, das Geld ausgegeben hat, bietet er Joe an, ihm bei der Suche nach „Kundinnen“ zu helfen und so lange bei ihm zu übernachten. Leider bleiben auch diese erneuten Versuche erfolglos, sodass Joe und Rico versuchen, ohne Geld und in einer dreckigen, zum Abbruch freigegebenen Wohnung ohne funktionierende Heizung den Winter zu überstehen. Doch nicht nur die Armut und die Kälte macht ihnen zu schaffen, denn um Ricos Gesundheit steht es gar nicht gut, weshalb Joe sich entscheiden muss, ob er weiter an seinem Traum festhalten will oder etwas tut, gegen das er sich bis jetzt mit Händen und Füßen gewehrt hat.

Die einsamen Straßen der Großstadt

Niemand, am allerwenigsten Autor James Leo Herlihy selbst, hätte gedacht, dass ein Roman wie Midnight Cowboy jemals verfilmt werden würde, geschweige denn sich ein Publikum für eine Geschichte begeistern könnte, die Themen wie Homosexualität, Armut und Not behandelt. Im Zuge des New Hollywood verlangten Produzenten und Filmemacher jedoch nach neuen Stoffen, die vor allem die Realitäten Amerikas widerspiegelten, was man in Herlihys Roman mehr als genug vorfand. Mit John Schlesinger (Der Tag der Heuschrecke, Der Marathon-Mann) fand sich ein Regisseur, der nicht nur die Themen der Vorlage verstand, sondern der auf eine Möglichkeit hoffte, sich als Brite in der Traumfabrik zu beweisen. Mit Asphalt-Cowboy entstand ein Werk, dessen Bedeutung für das New Hollywood sehr hoch ist, doch mehr als das ist die Geschichte wegen des Bildes einer Gesellschaft, die jegliche Illusionen verloren zu haben scheint und vor allem den Selbsterhaltungstrieb betont, nach wie vor relevant.

Innerhalb eines Jahrzehnts sollte sich nicht nur die Filmindustrie der USA grundlegend verändern, denn mit dieser Veränderung hielt ein andere Wahrnehmung der Stadt Einzug in das US-amerikanische Kino. Asphalt-Cowboy, Brennpunkt Brooklyn und Taxi Driver sind nur drei Beispiele für das Bild der Metropole New York, das nicht mehr länger idealisiert oder verklärt, denn alle drei Werke zeigen den urbanen Raum als Ort der Vorurteile, Not und Hoffnungslosigkeit. Auf seinen ersten Streifzügen durch die Stadt tritt Joe fast auf einen Mann, der vor der Nobel-Boutique Tiffany & Co auf dem Gehweg liegt. Wie der Zuschauer ist sich Joe nicht sicher, ob er mehr schockiert sein soll wegen des Mannes, der da vor ihm liegt, oder der Passanten, welche die Szene scheinbar ausgeblendet haben und ohne stehenzubleiben einfach weiter gehen.

Es wird nur noch wenige Tage dauern, bis auch der Cowboy einer von den vielen Zurückgelassenen und Einsamen ist, die von der Welt vergessen in einem dunklen Loch darauf warten, dass ihr Glück doch einmal wiederkommen möge. Viel kann man über die Darstellung von Homosexualität und der Gegenkultur der 60er in Schlesingers Film lesen, aber die Bilder der Not, der Armut und des Elends sind es, die Asphalt-Cowboy auch heute noch erschreckend und verstörend machen. Zu diesen Bildern gesellt sich das einer Gesellschaftsschicht, zu der Joe und Rico gehören, die parallel zu der anderen existiert, deren Dasein aber für den Alltag vieler keine Rolle spielt. Asphalt-Cowboy zeigt eine gnadenlose Welt ohne Mitgefühl und Empathie, und in der vor allem die Kälte regiert, die den beiden Protagonisten zum Verhängnis wird.

Auf dem Weg ins Paradies

Asphalt-Cowboy ist ein bitterer Blick auf die Realitäten des Amerikanischen Traums, wobei der Cowboy als Sinnbild dieses Mythos im Vordergrund steht. Jon Voights Darstellung ist mutig und furchtlos, denn Joe Buck ist nicht gerade der Schlauste und mehr wirkt wegen seines Verhaltens und seiner Äußerungen eher wie ein kleiner, naiver Junge. Er evoziert das Bild des Helden unzähliger Western, besonders das Männerbild, doch durch Rückblenden auf ein traumatisches Erlebnis mit seiner letzten Freundin sowie die Ereignisse in der Gegenwart wird dieses Bild immer mehr dekonstruiert. Wenn ihm Rico eröffnet, der Cowboy-Look sei nur was für die Homosexuellen der 42nd Street ist dies nur einer von vielen Momenten, in denen Asphalt-Cowboy amerikanische Mythen als Selbstbetrug offenbart.

Dieser Cowboy hat nichts mehr zu erobern, weshalb seine Reise auch nicht nach Westen, sondern in den Osten der USA geht, in dem aber niemand auf ihn wartet. Dustin Hoffmans Rico ist dabei nicht nur eine Figur, welche die Veränderung dieser Denkweise provoziert, denn er ist zugleich eine Metapher für all die zerstörten Träume, die Trauer und die Einsamkeit. Die Reise nach Florida, von der er immer wieder spricht, ist vielleicht das Überbleibsel dieses Traumes, doch man ahnt bereits als Zuschauer, was die Wirklichkeit sein wird, auch wenn man dies den beiden Helden nicht wünscht.



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Asphalt-Cowboy
fazit
„Asphalt-Cowboy“ ist ein Drama über das Ende von Illusionen, über Not und Hoffnungslosigkeit. John Schlesingers Verfilmung von James Leo Herlihys Roman zeichnet sich durch seinen Realismus und seine beiden Hauptdarsteller aus, deren Zusammenspiel den Film zu einer großen Stunde des New Hollywood macht.
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