Government Cheese Apple TV+ Streamen online
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Government Cheese – Staffel 1

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„Government Cheese – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 16. April 2025 (Apple TV+)

Inhalt / Kritik

Als Hampton Chambers (David Oyelowo) aus dem Gefängnis entlassen wird, beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Die lange Zeit hinter Gittern hat ihn dazu gebracht, sein Leben nicht nur zu überdenken, sondern zu Gott zu finden. Dank ihm hat er die Idee zu einer neuartigen Bohrmaschine erhalten, die Hamptons Familie den lang ersehnten Wohlstand bringen soll. Die Wiedersehensfreude hält sich dennoch sehr in Grenzen, denn Hamptons Frau Astoria (Simone Missick) will nichts von seiner Idee wissen, und seine beiden Söhne Einstein (Evan Ellison) und Harrison (Jahi Di’Allo Winston) reagieren ebenfalls verhalten auf die Rückkehr ihres Vaters. Dennoch lässt sich Hampton nicht beirren und setzt alles in die Wege, damit seine Erfindung ein Patent bekommt und er rasch Abnehmer für den Bohrer bekommt. Aber schon bald stößt er auf Hindernisse, denn wie ihm ein alter Freund offenbart, schuldet Hampton einem Verbrecherclan Geld. Da dieser ihm nicht viel Zeit gibt, seine Schulden zu bezahlen und er auch auf andere Hürden für seine Erfindung trifft, sieht sich Hampton gezwungen, wieder auf illegale Weise Geld zu verdienen. Jedoch bringt ihn dies in Konflikt mit seinem Glauben.

Auf in eine neue Zeit

Hinter dem Titel der Apple TV+ Serie Government Cheese versteckt sich eine interessante Anspielung. Da sich viele sozial-schwache Familien in den 1970er und 1980ern nicht die besten Lebensmittel leisten konnten, bot man ihnen verarbeiteten Käse wie auch andere Milchprodukte an. Die Verteilung dieser Produkte ging einher mit dem Agriculture and Food Act von 1981, was als Aufschwung für die Wirtschaft und die Verbraucher angepriesen wurde. Es lohnt sich, diese wie auch viele andere Verweise im Gedächtnis zu behalten, wenn man die ersten zehn Folgen der von Showrunner Paul Hunter und Aeysha Carr geschaffenen Serie sichtet. Diese kann man auf der einen Seite in einem historischen Kontext betrachten, aber ebenso vor dem Hintergrund ur-amerikanischer Mythen wie „manifest destiny“ oder der Prämisse, dass harte Arbeit und Erfindungsreichtum jedem Menschen die „Leiter zum Erfolg“ öffnen wird.

Wir schreiben das Jahr 1969. Die wilden 60er Jahre neigen sich ihrem Ende entgegen, auch wenn an manchen Stellen noch lange nicht jeder Konflikt beigelegt worden ist, der die Gesellschaft lange beschäftigte. Die Chambers Familie ist ein gesellschaftliches Panorama dieser Zeit, in der sich die Altlasten der 60er mehr als deutlich zeigen, aber auch der Drang nach vorne zu preschen und etwas Neues für sich zu finden. In dem Glauben, die gesellschaftlichen Utopien der Zeit sowie die Mythen des Amerikanischen Traums suchen Hampton, Astoria, Einstein und Harrison nach Wege, ihren eigenen Traum in die Realität umzusetzen. Statt aus diesem Stoff ein Drama zu machen, wie man es schon viele Male als Serie oder als Spielfilm gesehen hat, setzen Carr und Hunter in Government Cheese auf satirische Töne.

Die Dialoge sowie die Optik erinnern bisweilen an das Kino Wes Andersons, wohingegen der Ton sich eher an Werke wie Sidney Lumets Network oder Robert Downeys Putney Swope anlehnt. Die rassistische motivierten Konflikte der 60er Jahre stellen in Government Cheese nur eine von vielen Facetten dar, denn die Geschichte der Chambers zeigt vielmehr das Dilemma einer aufstrebenden Gesellschaft und politisch-historischer Altlasten, die sich in jedem der Figuren der Serie in unterschiedlicher Weise zeigen. Während der Vater für seinen Sohn eine Karriere möchte, wie er sie sich eigentlich schon immer erträumt, dieser die Werte der Elterngeneration dankend ablehnt, sucht der andere Sohn nach einer spirituellen Identität in den Mythen der Ureinwohner. Die Werte des Feminismus geben vielen den Mut, für sich ein neues Lebens-Narrativ zu finden, doch die Mehrheit leidet nach wie vor hinter den dicken Wänden der Vorstadthölle, ohne je ihre eigentlichen Talente zu entdecken oder gar auszuschöpfen.

Hoch hinaus

Auch wenn viele der Folgen surreal, bizarr und gar verstörend daherkommen, bleibt Government Cheese dennoch auf dem Boden der Tatsachen. In einem Interview über seine zahlreichen Rollen in Shakespeare-Adaptionen erkläre Schauspieler David Oyelowo einst, er wolle Figuren spielen, deren Geschichte zwar in der Vergangenheit spielt, deren Schicksal und Konflikte aber man nach wie vor auf die heutige Zeit übertragen könne. Die Charaktere der Serie haben die universell verständliche Motivation, sich selbst zu verbessern, nach vorne zu blicken und selbstbestimmt zu leben. Der Clash dieser verschiedenen Sichtweisen und Erwartungen macht den Humor von Government Cheese aus, da diese Motivationen zwar verständlich, aber bis zu einem gewissen Grad auch unvereinbar sind.

Oyelowos Hampton Chambers mag einen Plan für den wirtschaftlichen Aufschwung der Familie haben, doch man fragt sich, inwiefern dies nicht mehr eine Massage des eigenen Egos ist. Das Bild der Familie, die zum Essen und zum abendlichen TV-Programm zusammenfindet, löst sich langsam aber sicher auf, was eine große Unsicherheit zur Folge hat. Das Spirituelle und das Insistieren auf historische Narrative scheint eine Fassade zu sein für diese tiefe Angst vor dem großen Unbekannten, was sie alle betreten. Somit verweist eine Serie wie Government Cheese auf die heutige Zeit und dem Wegfallen jener Narrative, die nur noch eine leere Hülle sind. Man weiß eben nicht, ob der eigene Glaube der richtige ist, denn Kontrolle und Sicherheit sind nichts als Mythen in einer immer unsicher werdenden Zeit.



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Government Cheese – Staffel 1
fazit
„Government Cheese“ ist eine Serie zwischen Familiendrama und Satire. In den zehn Folgen der ersten Staffel schaffen es die Macher, ein gesellschaftliches Panorama zu zeigen, mit viel Witz und Charisma, das vor allem wegen seiner stimmigen Besetzung und seinen Dialogen zu punkten weiß. Die Serie ist bizarr, surreal und an manchen Stellen verstörend, doch eben auch sehr intelligent und mit vielen Verweisen auf die aktuelle Lage, nicht nur die der USA.
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9.7
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von 10