2025 augenschein Filmproduktion / LEONINE Studios, Foto: Juan Sarmiento G.

Islands

„Islands“ // Deutschland-Start: 8. Mai 2025

Inhalt / Kritik

Tom (Sam Riley) ist Tenniscoach in einem Hotelresort auf Fuerteventura. Während die Insel mit den Stränden und dem immerblauen Himmel für Touristen einen traumhaften Fluchtort aus dem Alltag darstellt, ist sie für ihn das genaue Gegenteil: Er ist gefangen im immer gleichen Trott aus Tennisstunden und allabendlichen Feiertouren, die in desorientiertem, verkatertem Erwachen enden. Dann lernt er die Familie Maguire kennen: Anne (Stacy Martin), Dave (Jack Farthing) und den 9-jährigen Sohn Anton (Dylan Torrell). Und Tom entwickelt eine merkwürdige Faszination für sie. Nachdem er einen Tag lang den Fremdenführer für sie auf der Insel gespielt hat, verschwindet plötzlich Vater Dave und um Anne scheinen einige unvermutete Geheimnisse zutage zu treten …

Die Monotonie einer Urlaubsinsel und ein vermeintliches Verbrechen

Regisseur Jan-Ole Gerster hat möglicherweise ein Faible für eine Art von desolaten Männergestalten. Oder ist es Zufall, dass seine Hauptfigur Tom in Islands ähnlich ziellos in seinem Leben herummäandert wie der Protagonist Niko Fischer in seinem Kultfilm Oh Boy? An dieser Stelle hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Während der Berliner von einer absurd-komödiantischen Situation in die nächste stolpert, besteht Toms Leben aus schrecklicher Eintönigkeit. Den ganzen Tag schlägt er Tennisbälle über das Netz, verliert sich abends im Club in der Musik und bedeutungslosen One-Night-Stands und ertränkt die Leere seines Lebens geradezu klischeehaft im Alkohol. Jeden Morgen wacht er mit einem Kater an einer anderen Stelle auf und scheint manchmal ebenso wenig wie die Zuschauer:innen zu wissen, wie er dorthin gelangt ist. Er kennt die Sprache und die Menschen des Orts, hat z.B. in einem Paar, das eine Kamelfarm betreibt, auch einige gute Freunde, und bleibt doch insgesamt isoliert und einsam.

Diese lähmende Eintönigkeit erhält erst durch das Auftauchen der Familie Maguire im Hotel, in dem Tom arbeitet, einen neuen Impuls. Ursprünglich soll er lediglich Sohn Anton Tennisunterricht geben, doch bereits im ersten Gespräch mit dessen Mutter Anne entwickelt er eine merkwürdige Faszination für sie – und später auch für die gesamte Familie. Dabei gäbe es gute Gründe auf Distanz zu bleiben: Anne und ihr Mann Dave zeigen offen ihre angespannten Eheprobleme, führen unangenehme passiv-aggressive Dialoge und geben dabei zu intime Einblicke in ihre Beziehung – und das selbst vor ihrem neuen Bekannten Tom. Mit Daves Verschwinden nimmt der Film eine Wende Richtung Thriller und erzeugt unter der brennenden Sonne der Insel eine dauerhafte, unterschwellige Spannung bei Tom und dem Publikum: Ist Dave im Meer ertrunken? Ist Anne doch nicht die Unbekannte, für die Tom sie gehalten hat, und was verheimlicht sie vielleicht sonst noch? Selbst in der zunehmend unklaren und bedrohlichen Lage hält Tom an der Beziehung zu Anne und Anton fest – möglicherweise, weil die Krise ihm eine Aufregung beschert, die sein Dasein so lange vermissen ließ.

Die Kunst emotionaler Leere und dem Ausbruch daraus

Die Schauspieler:innen stellen die Situation überzeugend dar, vor allem Hauptdarsteller Sam Riley bringt seine innerlich ausgehöhlte Figur wirklich glaubwürdig zum Ausdruck. So sieht man bei Tom über fast den gesamten Filmverlauf kaum richtige Gefühlsausbrüche. Zwar zeigt er durchaus Verwunderung, Besorgnis oder auch Charme, wenn er bspw. die befreundete Hotelrezeptionistin um einen Gefallen bittet, doch nichts davon geht wirklich tief, seine Emotionen bleiben wie in dicke Watte gehüllt, bis sie vor allem im Miteinander mit Anne und Anton doch wieder mehr aufblitzen. Es ist sicher nicht zufällig, dass der Titel des Films an die berühmte Verszeile „No man is an island“ erinnert. Denn die titelgebenden Inseln sind hier weniger die isolierten Landmassen, sondern vielmehr die Menschen, die den Bezug zueinander verloren haben. Allerdings bleibt der Film hinter dem Anspruch zurück, mehreren Figuren wirklich angemessen Raum zu geben, das Ehepaar Maguire bleibt in der Ausgestaltung doch deutlich schwächer als die Figur von Tom.

Der Film entwickelt allerdings einen interessanten Gegenentwurf zu Fuerteventura als Sehnsuchtsort. Während Dave und auch andere Hotelbesucher:innen das Leben dort nach dem Motto „Leben, wo andere Urlaub machen“ verklären, bedeutet das Urlaubsparadies für Tom das Verharren in Verhältnissen, in denen er offenbar schon lange nicht mehr glücklich ist. Dem entspricht der Film mit seiner langsamen, zuweilen fast auch an Monotonie grenzenden Erzählweise und Bildsprache, den ewig gleichen Plätzen zwischen Strand, Meer und Hotel, der ewig gleißenden Sonne. Und der langsame Spannungsbogen wird am Ende auch nicht nach typischer Thriller-Manier aufgelöst, weshalb man das Ganze eher als Drama betrachten sollte. Manchen Zuschauer:innen mag es vielleicht langweilig und uninspiriert vorkommen, doch es ist eine Stärke des Films, sein Thema solchermaßen erfahrbar zu machen: Ein Mensch muss innerlich verkümmert oder geradezu abgestorben sein, um in einer Situation zu verharren, die längst unerträglich geworden ist. Im besten Sinne ruft Islands also dazu auf, sich aus der Starre eines unglücklichen Daseins und von falschen Wunschvorstellungen zu befreien – wie dem vermeintlich perfekten Leben auf einer Urlaubsinsel.



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Islands
Fazit
"Islands" ist das filmische Äquivalent zu einem Sonnenbrand: langsam, trügerisch idyllisch und schmerzhaft offenbarend. Der Film verwandelt den Sehnsuchtsort der kanarischen Urlaubsinsel in eine Sackgasse aus Monotonie und innerer Leere. Ein Drama, das sich als Thriller verkleidet, letztendlich aber genau deswegen lohnt, weil es keiner ist.
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