Idioten
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Inhalt / Kritik

Idioten
„Idioten“ // Deutschland-Start: 22. April 1999 (Kino) // 7. Mai 2015 (DVD)

Es war zwar bisher nicht die schwerste Kost vom dänischen Regisseur, dafür aber mehr als verwirrend. Einerseits enthält der Film von Lars von Trier interessante Ideen, andererseits konnte ich mich nicht überwinden, den Streifen locker und entspannt zu betrachten. Während der 117 Minuten Laufzeit schwankte mein Gemütszustand zwischen totaler Ablehnung und gefälligen Szenen, bei denen ich sogar laut auflachen musste, hin und her.

Die Idee hinter der Story ist dabei im Grunde genommen sehr simpel: Eine Gruppe von jungen Menschen gibt vor, geistig behindert zu sein um sich einfach gesagt damit aus den normalen Bürgerleben auszukoppeln. Das geht sogar so weit, dass die Gruppe um Stoffer (Jens Albinus) beispielsweise Fabriken besucht, mit ihren als Behinderten-Transport gekennzeichneten Kleinbus Ausflüge ins Grüne unternimmt oder etwa in der Nachbarschaft selbstgebastelten Weihnachtsschmuck für einen guten Zweck – nämlich ihrem „Behinderten-Verein“ – verkauft. Eines Tages stößt die sichtlich verwirrte Karen (Bodil Jørgensen) auf die Gruppe. Anfangs findet sie die Farce überhaupt nicht in Ordnung und wirft den Schwindlern vor, den wirklich behinderten Menschen zu spotten, doch schon bald entdeckt sie, dass auch in ihr ein kleiner Idiot steckt. Das Quartier der „Idiotenbande“ ist ein leerstehendes Haus, das Stoffers Onkel gehört und eigentlich zum Verkauf stünde. Potenzielle Käufer werden jedoch sofort vergrault. Dazu muss nicht viel getan werden: Es genügt einfach, ein Idiot zu sein, einen geistigen Behinderten zu spielen und die Interessenten flüchten spätestens wenn man ihnen auch noch erklärt, diese Menschen seien ihre zukünftigen Nachbarn.

Auch sonst ist es äußerst interessant zu beobachten, wie Menschen ungeschickt agieren, wenn sie mit einen Menschen mit geistigen Handicap konfrontiert werden. Da ist der Gemeinde-Fritze, der ein unmoralisches, aber lukratives Geschäft vorschlägt, sollte die Behinderten-Gruppe in die nächste Gemeinde abwandern oder der nervöse Restaurant-Besitzer, der sein Geschäft allein durch die Präsenz dieser „Menschensorte“ gefährdet sieht. Die Gruppe denkt aber nicht im Traum daran, ihr perverses Spielchen aufzugeben oder zu verlagern, bis eines Tages der Vater von Josephine (Louise Mieritz) auftaucht, um seine Tochter nach Hause zu befördern. Stoffer wirft nach diesem Ereignis den anderen vor, nicht richtig bei der Sache zu sein und ihre Rolle als Idiot nicht ernst zu nehmen. Er ist der Meinung, dass es nur so möglich ist, dem Spießertum zu entkommen. Er versteht nicht, was so toll daran sein soll, Mitglied einer Gesellschaft zu sein, deren einziges Ziel es ist, ständig seinen Reichtum zu erweitern. Die Bürger der wohlhabenden Gemeinde, in der sie ihre Basis haben, sind für ihn nichts anders als Faschisten-Schweine, die keinen Plan vom echten Leben haben. Um also zu beweisen, dass man es ernst nimmt, soll nun jeder bei seiner regulären Arbeit oder bei seiner Familie die Handicap-Show vorspielen, doch schon bei Henrik (Troels Lyby), einem Lehrer, klappt das nicht so, wie Stoffer sich vorgestellt hat.

Anfangs fiel es mir nicht ganz leicht, dem Film zu folgen, zu sehr war ich angeekelt von den falschen Behinderten. Der Charakter Stoffer erklärt dann aber ziemlich früh im Film, worum es eigentlich geht, und wenn man einfach mal unsere sehr menschliche Eigenschaft des ständigen Verurteilens ablegt, kann man dem Geschehen auch sehr gut folgen. So wirklich verstörend fand ich dann schlussendlich nur noch die Aufnahmen des Rudelbumsen, wie es Stoffer nennt. Der Film stellt ein Projekt unter der Flagge des Dogma 95 Manifestes dar und dementsprechend ist der Film minimalistisch aufgenommen worden. Die Schauspieler spielen ihre Rollen aber allesamt überzeugend und das ist hier die Hauptsache. Ob die Charaktere im Film die richtige Form für Gesellschaftskritik wählen, lasse ich mal dahingestellt, allerdings würde man einen groben Fehler begehen, wenn man Lars von Trier Respektlosigkeit gegenüber behinderten Menschen vorwerfen würde. Ganz im Gegenteil wage ich sogar zu behaupten, dass der Streifen genau diesem Teil unserer modernen und anscheinend zivilisierten Gesellschaft seine Solidarität ausspricht. Wie man so schön sagt gibt es eine Gradwanderung zwischen Genie und Wahnsinn. Ob Lars von Trier hier ausgerutscht ist, liegt wohl im Auge des Betrachters …

Credits

OT: „Idioterne“
Land: Dänemark
Jahr: 1998
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Kamera: Lars von Trier
Besetzung: Bodil Jørgensen, Jens Albinus, Anne Louise Hassing, Troels Lyby, Nikolaj Lie Kaas, Louise Mieritz

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Cannes 1998 Goldene Palme Nominierung
Europäischer Filmpreis 1998 Bestes Drehbuch Lars von Trier Nominierung

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